Ein Erfolg mit Klebstoff und Jugend

München · Borussia Dortmund hat die Folgen des Attentats auf den Mannschaftsbus weggesteckt und will nun Pokalsieger werden.

 Dortmunds Trainer Thomas Tuchel ballt die Fäuste nach dem Tor zur 3:2-Führung. Foto: Gebert/dpa

Dortmunds Trainer Thomas Tuchel ballt die Fäuste nach dem Tor zur 3:2-Führung. Foto: Gebert/dpa

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Thomas Tuchel war außer Rand und Band - wie wohl noch nie in seiner Karriere. Völlig losgelöst stürmte der Trainer auf den Platz in der Münchner Arena und fiel jedem Schwarz-Gelben, der ihm in die Quere kam, glückselig um den Hals. Das 3:2 (1:2) im DFB-Pokal-Halbfinale am späten Mittwochabend beim FC Bayern hat bei Borussia Dortmund nur zwei Wochen nach dem Bombenanschlag auf den Mannschaftsbus riesige Emotionen ausgelöst.

"Das ist eine große Genugtuung", versicherte Sportdirektor Michael Zorc strahlend: "Wenn es eine Mannschaft verdient hat nach den letzten Wochen, ein bisschen Glück zu haben und nach Berlin zu fahren, dann Borussia Dortmund." Es fühle sich "sensationell gut an", unterstrich Tuchel nach dem Einzug ins Finale am 27. Mai gegen Eintracht Frankfurt. Es ist das vierte BVB-Endspiel in Serie - das hat in der langen Pokal-Historie keine andere Mannschaft vollbracht.

Auch wenn der BVB in der Liga im Kampf um die Champions-League-Plätze noch "in der Pflicht steht", wie Zorc vor dem Spiel an diesem Samstag (15.30 Uhr) gegen den 1. FC Köln betonte, wurde die Kabine in München zur Partyzone umgewandelt. "Es ging ab", sagte Julian Weigl. Die Mannschaft habe es "ein bisschen krachen lassen, obwohl jeder kaputt war".

Der unerwartete Erfolg beim FC Bayern war der vorläufige Höhepunkt einer Achterbahnfahrt für den BVB. Offenbar hat Tuchel in den schweren Momenten die richtigen Worte gefunden. "Der Vorfall mit dem Bus hat uns zusammengeschweißt", sagte Weigl - und Tuchel ergänzte auf die Frage nach den Auswirkungen des Anschlags: "Solche Ereignisse können dich aus der Bahn werfen, aber sie können auch für Klebstoff sorgen." Natürlich bleibe "etwas hängen", sagte der 43-Jährige. Aber jetzt komme die Freude wieder zurück. Dieses Ereignis habe "Vertrauen zwischen allen Beteiligten" geschaffen und das Gefühl: "Wir können uns auf uns verlassen." Marco Reus sprach von einer "super Mannschaft mit super Moral und Charakter".

Und das zeigte sich auf dem Feld: Der Nationalspieler hatte den BVB in Führung gebracht (19. Minute). Nach den Toren von Javi Martínez (28.) und Mats Hummels (41.) sah es aber lange gar nicht gut aus. Die Bayern hatten mehrere Chancen, das Spiel zu entscheiden. Eine Schlüsselszene war in der 63. Minute: Im Stile eines Handball-Torwarts lenkte Sven Bender für seinen geschlagenen Torhüter Roman Bürki einen Schuss von Arjen Robben mit der Fußspitze an den linken Pfosten, von da flog der Ball wieder ins Spielfeld. Benders spektakuläre Rettung gehörte zu den meistdiskutierten Situationen des Spiels. "Da sind wir mit dem Schrecken davongekommen", sagte Tuchel. Bei einem 1:3-Rückstand "wäre es unmöglich gewesen, zurückzukommen". So aber sorgten Pierre-Emerick Aubameyang (69.) und Ousmane Dembélé (74.) für den Triumph in München.

Es war auch ein Triumph der Jugend. Während das Bayern-Team vor einem Umbruch steht und Talente wie Joshua Kimmich, Kingsley Coman oder Renato Sanches fast nur auf der Bank sitzen, hat die Borussia die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft gestellt - mit Dembélé, Weigl oder Raphael Guerreiro in der Startelf. Deshalb, meinte Tuchel, habe dieser Sieg in einem Spiel, "wie es kaum schwerere in Europa gibt", einen "enormen Stellenwert". Doch es soll noch nicht das Ende gewesen sein. "Jetzt wollen wir unbedingt den Pokal gewinnen", unterstrich Tuchel nach zuletzt drei Finalpleiten in Serie. Ein erneuter Gefühlsausbruch wäre da programmiert.

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Platz 7 könnte für Europa League reichen Gut eine Handvoll Teams drückt Borussia Dortmund die Daumen für das Finale des DFB-Pokals. Gewinnt der sicher für das internationale Geschäft qualifizierte BVB das Endspiel am 27. Mai gegen Eintracht Frankfurt, zieht der Tabellensiebte in die Qualifikation zur Europa League ein. Betreffen könnte das den SC Freiburg, 1. FC Köln, Bremen, Gladbach und Schalke 04. Sollte die Eintracht den Cup holen, aber am Saisonende nicht unter den ersten Sechs stehen (derzeit Platz neun), geht das siebtbeste Team leer aus, weil die Frankfurter als Pokalsieger für Europa qualifiziert wären.

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