Pleiten, Pech und Pannen

Karlsruhe · Die Turner der TG Saar haben in Karlsruhe den vierten deutschen Meistertitel verpasst, weil sie zu oft patzten. Die KTV Straubenhardt turnte fehlerfrei und machte den Sack vor 4000 Zuschauern früh zu.

 Im DTL-Finale am Samstagabend in Karlsruhe mussten sich die Turner der TG Saar um ihren Star Oleg Wernjajew (vorne, Zweiter von rechts) mit der Silbermedaille zufrieden geben. Foto: Hauf

Im DTL-Finale am Samstagabend in Karlsruhe mussten sich die Turner der TG Saar um ihren Star Oleg Wernjajew (vorne, Zweiter von rechts) mit der Silbermedaille zufrieden geben. Foto: Hauf

Foto: Hauf

Der Traum von Gold platzte am Nikolausabend: In der Karlsruher Messehalle 2 wollten sich die Turner der TG Saar am Samstag reich bescheren und eine starke Bundesliga-Saison mit dem vierten deutschen Meistertitel krönen. Doch der Plan ging gründlich schief. In einem Wettkampf der Sorte "Pleiten, Pech und Pannen " unterlagen die Saarländer der fast fehlerfreien KTV Straubenhardt im Titel-Duell mit 20:49 klar, weil sie vor 4000 Zuschauern zu oft patzten.

Alle Geräte abgegeben

An allen sechs Geräten zog die TG Saar gegen den Erzrivalen den Kürzeren. Dabei zeigten sogar Routiniers wie Altmeister Eugen Spiridonov und Mehrkampf-Europameister Oleg Wernjajew ungewohnte Schwächen. Trainer Viktor Schweizer war ratlos: "Wir hätten sicherer turnen, Punkte vorlegen und den Gegner unter Druck setzen müssen, aber das klappte nicht. Heute war der Wurm drin - von Anfang an."

Gleich im ersten Boden-Duell stürzte Waldemar Eichorn nach einer Tempo-Bahn und gab gegen KTV-Star Marcel Nguyen vier Punkte ab. Nach Spiridonovs Niederlage gegen Filip Ude stand es 0:6. Wernjajew und Ivan Bykov holten in ihren Duellen gegen Andreas Bretschneider und Lukas Dauser je einen Zähler und verkürzten, aber das war zu wenig. "Wir haben unser Parade-Gerät Boden vergeigt, jetzt wird es schwer", kommentierte TG-Saar-Betreuer Jerome Michels den Fehlstart mit Sorge.

6:11 stand es nach dem Pauschenpferd. "Die turnen sauber durch, und wir patzen. Es war andersherum geplant", stöhnte Teamarzt Markus Endres und erinnerte an den Titelgewinn 2012. Damals führte die TG gegen Straubenhardt nach dem ersten Gerät mit 10:2 und siegte später mit 37:30.

Diesmal fehlte das Punkte-Polster - und der Druck auf den Favoriten. "Wir sind unerwartet früh ins Hintertreffen geraten. Das hätte gegen dieses Star-Ensemble nicht passieren dürfen", nannte TG-Boss Thorsten Michels den Kapitalfehler. An den mitgereisten Saar-Fans lag es nicht. 200 Schlachtenbummler feuerten ihr Team lautstark an. Vergebens. Nach den Ringen (6:7) lag die TG Saar mit 12:18 zurück.

"Es sieht nicht gut aus. Das schaffen wir nicht mehr", prophezeite Franz Josef Kiefer , der Präsident des Saarländischen Turnerbundes, zur Pause - und behielt Recht. Die Schwaben, die sich im letzten Saisonwettkampf mit dem 44:18-Kantersieg beim MTV Stuttgart ins Finale geturnt hatten, dominierten weiter. Allein Wernjajew hielt dagegen. Der Weltcup-Sieger holte am Sprung (3:4) und am Barren (5:10) die einzigen Punkte für die Saarländer, die nach fünf Geräten hoffnungslos mit 20:32 hinten lagen - und in den Reck-Duellen (0:17) komplett versagten.

"Es sollte nicht sein"

"Es sollte nicht sein, aber die Luft war da schon raus", bedauerte Spiridonov das "Absturz-Festival". Nur Eichorn turnte seine Übung durch. Spiridonov und Luca Ehrmantraut "küssten" die Matte. Und schließlich traf es auch den Weltstar. Zwei Mal fiel Wernjajew unplanmäßig vom Gerät und verlor damit den Titel "bester Punktesammler des Tages" an Nguyen.

Für seinen Triumph in der Top-Scorer-Wertung der Bundesliga-Saison wurde der Ukrainer später geehrt, auf den Titel deutscher Mannschaftsmeister muss der 22 Jahre alte Barren-Weltmeister von 2014 weiter warten. Was diesmal nicht gelang, kann ja noch werden. Und als sich der Magnesia-Nebel gelichtet hatte und der erste Schokoladen-Nikolaus verputzt war, zeigte sich Wernjajew wieder kämpferisch: "Ich habe meinen Vertrag um zwei Jahre verlängert und mindestens zwei weitere Chancen, meine Medaillen-Sammlung komplett zu machen - mit dem Meister-Titel mit der TG Saar ."Spannender als bei den Männern war am frühen Samstagnachmittag das Finale bei den Frauen verlaufen. Dabei sicherte sich der MTV Stuttgart mit 213,15 Punkten wie erwartet die vierte deutsche Mannschaftsmeisterschaft in Folge, hatte bei der Titelverteidigung allerdings mehr Mühe als erwartet.

Angepeitscht vom begeisterten Heimpublikum, liefen die Mädels der TG Karlsruhe-Söllingen beim Finale der Deutschen Turnliga (DTL) zur Höchstform auf und boten den favorisierten Schwäbinnen vor rund 2500 Zuschauern ein Kopf-an-Kopf-Rennen bis zur letzten Turnerin. Erst nach der fehlerfreien Boden-Kür von Tabea Alt durfte Stuttgart jubeln. Der Vorsprung der Riege um Nationalturnerin Elisabeth Seitz auf die Gastgeberinnen betrug am Ende gerade mal zwei Zehntel-Punkte.

Bronze ging an den TuS Chemnitz-Altendorf mit den beiden Saarländerinnen Helene Schäfer und Pauline Schäfer. Letztere konnte wegen einer Magen-Darm-Erkrankung nur zuschauen und drückte der kleinen Schwester die Daumen. "Es war für mich ein erfolgreiches, aber auch anstrengendes Sportjahr. Jetzt werde ich mir erst mal etwas Ruhe gönnen", verriet die Saarsportlerin des Jahres 2014 und 2015, die bei der WM in Glasgow die Bronzemedaille am Schwebebalken gewonnen hatte. Schwester Helene turnte im DTL-Finale am Boden und am Stufenbarren sauber durch, am Schwebebalken stürzte sie. "Es passierte bei einem neuen Element, war aber nicht schlimm. Ich bin zufrieden. Es hat Spaß gemacht, für mein Team heute alles zu geben", resümierte die 14 Jahre alte Bierbacherin.

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