Ein Höhepunkt auf dem Weg zurück in den Alltag

Der Ball tippt auf den Boden, den Schläger, die Platte. Patrick Baum beugt sich vor, schiebt ihn über den Tisch, eine halbe Armlänge vor sich her. Dann erst serviert der Tischtennis-Nationalspieler des 1. FC Saarbrücken den Ball.

 Er kämpft sich nach einem schweren Schicksalsschlag zurück in die Weltspitze – seit dieser Saison im Trikot des Bundesligisten 1. FC Saarbrücken: Patrick Baum. Foto: Ruppenthal

Er kämpft sich nach einem schweren Schicksalsschlag zurück in die Weltspitze – seit dieser Saison im Trikot des Bundesligisten 1. FC Saarbrücken: Patrick Baum. Foto: Ruppenthal

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Für Baum ist dieser Aufschlag ein Ritual. Es dauert einige Sekunden. Schaut man sich Videos von Baum an, mit schnellen Schnitten, sieht man es selten in voller Länge. An diesem Sonntag zeigt Baum seinen Aufschlag beim "Final 4", dem Finalturnier um den deutschen Tischtennis-Pokal in Neu-Ulm. Der FCS will den Titel holen, zum zweiten Mal nach 2012.

Baum war schon drei Mal Pokalsieger - mit Borussia Düsseldorf. Dort spielte er vier Jahre, in einer anderen Zeit, vor diesem Tag im September 2014. In der Weltrangliste stand Baum damals auf Platz 14, so gut wie noch nie. Er bereitete sich auf die EM in Lissabon vor. Kurz vor der Abreise erfuhr er, dass sein Vater tödlich verunglückt war. Arthur Baum arbeitete viele Jahre als Verbandstrainer in Rheinhessen. Als Privattrainer hatte er seinen Sohn bis zuletzt begleitet.

Die deutsche Nationalmannschaft bestritt ein ordentliches Turnier. Im Finale unterlag sie überraschend Portugal. Ohne Baum. Er war nicht mitgereist. Zwei Monate hielt Baum keinen Schläger in der Hand. Dann spielte er erstmals wieder, mit seinem Bruder, zuhause im Keller.

Es dauerte mehr als ein halbes Jahr, bis Baum wieder im Tischtennis in Erscheinung trat. Seitdem arbeitet er an der Rückkehr in die Weltspitze. Manches von dem, was für Baum einmal so selbstverständlich wie sein Aufschlag war, fällt ihm auf höchstem Niveau bis heute schwer. Die Weltrangliste führt ihn auf Platz 67. "Er ist auf dem Weg, wieder in den Alltag reinzukommen", sagt Bundestrainer Jörg Roßkopf über Baum. Und es wird schnell klar, welchen Alltag er meint: den eines Leistungssportlers, der in seiner Disziplin zu den Besten gehörte. "Ich sehe ihn als Nummer 14 der Welt, die er war. Davon ist er noch weit entfernt."

Es ist paradox: Über sein Schicksal wurde groß berichtet, weil Patrick Baum so herausragend Tischtennis spielte. Doch der Sport geriet angesichts dessen, was ihm widerfahren war, in den Hintergrund. Blickt Baum öffentlich zurück, dann nur als Sportler. "Ich habe einen starken Knick gehabt, international bin ich abgerutscht", sagt er: "Für den Verein rufe ich immer noch starke Leistungen ab." Das sieht auch der Bundestrainer Roßkopf so: "Er spielt gut in Saarbrücken."

Dass Baum in Saarbrücken unterschrieb, ergab sich kurzfristig. "Es war eine Last-Minute-Entscheidung - von beiden Seiten", erklärt Erwin Berg, sportlicher Leiter des FCS. Der Club wollte kurz vor der Saison seinen Kader aufstocken, einen vierten Top-Spieler verpflichten. Baum war frei, nach einem Jahr in Frankreich, bei Caen TTC. "Er wollte wieder in Deutschland spielen", weiß Berg.

"Ich hatte auch andere Möglichkeiten, aber Saarbrücken ist ein starker Verein", sagt der 29-Jährige über seinen Wechsel. Vor einer Woche zeigte Baum im Heimspiel gegen den TTC Fulda-Maberzell (3:2), wieso Berg mit ihm "sehr zufrieden" ist. Den Dänen Jonathan Groth besiegte der deutsche Meister im Einzel spektakulär in fünf Sätzen.

Roßkopf beschreibt Baum als jemanden, der "ohne Kompromisse den Angriff sucht, der passiv wie aktiv spielen kann". Deshalb bezeichnete der Bundestrainer ihn vor Jahren auch als den komplettesten Spieler in Europa. Was ihm heute fehlt? "Vor zwei, drei Jahren hat er sich am Tisch besser bewegt", findet Roßkopf.

An diesem Sonntag könnte Baum mit Saarbrücken im Pokalfinale auf Borussia Düsseldorf treffen - seinen früheren Verein, den Favoriten. "Gegen Düsseldorf wären wir der Außenseiter, aber so weit will ich gar nicht denken", erklärt Baum. Um 11 Uhr beginnt das Halbfinale gegen den Post SV Mühlhausen. Düsseldorf trifft zeitgleich auf Zweitligist TV Hilpoltstein.

Klar, dass alle das Traumfinale erwarten. Zunächst aber heißt der Gegner Mühlhausen, in der Bundesliga als Sechster zwei Tabellenplätze hinter dem FCS. Baum sagt zurückhaltend: "Ich erwarte ein schwieriges Spiel." Wahrscheinlich mit ihm an der Platte. Aufschlag Baum.

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Auf einen Blick Am Sonntag um 11 Uhr beginnt in Neu-Ulm das Finalturnier um den deutschen Tischtennis-Pokal. Bundesligist 1. FC Saarbrücken trifft im Halbfinale auf Ligakonkurrent Post SV Mühlhausen. Titelfavorit Borussia Düsseldorf spielt gegen den Zweitligisten Hilpoltstein. Das Finale findet am Nachmittag statt. Alle Spiele werden live im Internet unter www.sportdeutschland.tv gezeigt. Der FCS muss beim Turnier auf Patrick Franziska verzichten. Der deutsche Nationalspieler hatte gehofft, nach einem verheilten Muskelfaserriss "zumindest einsatzbereit" zu sein. Am Freitag meldete der Club seinen Ausfall. fu

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