Kritik am Umweltministerium

Bergweiler · Es hagelte Proteste und es wird eine Menge schriftlicher Einwände nach sich ziehen. Das saarländische Umweltministerium will bis Ende des Jahres in Bergweiler/Sotzweiler ein Natura-2000-Gebiet ausweisen. Während einer Informationsveranstaltung im Bergweiler Dorfgemeinschaftshaus kritisierte ein Großteil der 50 Bürger die Vorgehensweise und die Informationspolitik des Umweltministeriums.

 Ein Großer Feuerfalter im Grün: Eine Natura 2000-Fläche soll auch in Sachen Artenschutz des Falters fungieren. Symbolfoto: A. Didion

Ein Großer Feuerfalter im Grün: Eine Natura 2000-Fläche soll auch in Sachen Artenschutz des Falters fungieren. Symbolfoto: A. Didion

Eine 17,5 Hektar große Fläche auf den Gemarkungen Bergweiler und Sotzweiler hat während einer Informationsveranstaltung im Bergweiler Dorfgemeinschaftshaus für reichlich Diskussionsstoff gesorgt. Das Umweltministerium beabsichtigt, das Grünlandareal bis Ende des Jahres als Natura-2000-Gebiet auszuweisen. Der dortige Schutzzweck dient der Erhaltung des sogenannten Lebensraumtyps Magere-Flachland-Mähwiese und dem Artenschutz des Großen Feuerfalters. Damit kommen auf die Wiesenbesitzer eine ganze Reihe unterschiedlicher Maßgaben bei der Bewirtschaftung wie beispielsweise beim Düngen, Mähen, Walzen und Eggen, zu.

"Und das, ohne dass man vorher gefragt wird. Hier ist bewusst über die Köpfe der Eigentümer und Nutzer entschieden worden", beschwert sich prompt Jürgen Junker aus Sotzweiler. Der Obersalbacher Karl-Josef Brück sieht durch die neuen Verordnungen den Wert, der von ihm bewirtschafteten Fläche erheblich gemindert. Auf Helga May-Didion vom Umweltministerium prasselt Kritik von allen Seiten zur Vorgehensweise ein. Denn das Natura-Schutzgebietsnetz im Saarland hat die Landesregierung in den Jahren 2000, 2004 und 2006 kartiert und über das Bundesumweltministerium an die Europäische Kommission gemeldet. "Das ist zwölf Jahre her und jetzt werden wir informiert und vor vollendete Tatsachen gestellt", moniert Flächeneigentümerin Rosemarie Brück aus Lebach-Steinbach. Nutzer und Eigentümer protestieren gleichermaßen.

Der Bergweiler Andreas Franz geht noch einen Schritt weiter: "Das ist wie ein modernes Heuschreckentum der Enteignung, wie die EU hier vorgeht", vergleicht Franz. Wenn die Nutzung einer Fläche nicht mehr gewährleistet sei, sei ein Verkauf quasi unmöglich. "Selbst wenn wir jetzt unseren Einwand geltend machen, es ist doch alles schon beschlossene Sache", meint Junker zum Ausweisungsverfahren. Hier werde zuerst explizit ein Verfahren durchgesetzt, erst danach werde mit den Leuten darüber geredet, legt Karl-Josef Brück nach. Dass nur alleine dem Umweltministerium der Schwarze Peter zugeschoben wird, dagegen wehrt sich May-Didion. "Die Gemeinden sind informiert worden, sie haben die Möglichkeiten mit öffentlichen Bekanntmachungen und in Ortsratssitzungen darauf hinzuweisen", sagt sie.

Stimmt. Bei der Tholeyer Gemeindeverwaltung ist im Jahre 2000 ein Schreiben eingegangen, in dem die Gebietsvorschläge über Natura-2000-Flächen mitgeteilt worden sind. Allerdings mit dem Hinweis "der eine Anhörung der Betroffenen nicht vorsieht", teilt Bürgermeister Hermann Josef Schmidt (CDU ) auf SZ-Anfrage mit. Dass demnächst ausschließlich die Flächennutzer eine Einladung zu Gesprächen zwecks Ausgleichszahlungen und eventueller Fördermöglichkeiten erhalten, bringt die Eigentümerin Brück abschließend auf die Palme. "Ich werde dagegen Einspruch einlegen", so Brück. Sie gibt aber noch zu, den Nutzer ihrer Fläche überhaupt nicht zu kennen. Bereits im Januar hat der SPD-Landtagsabgeordnete Magnus Jung zur Vorgehensweise beim Ausweisungsverfahren der Natura-2000-Gebiete Stellung bezogen. Bis 2009 seien alle diese Schutzgebiete von den jeweiligen Ländern an die EU gemeldet worden, auch die Flächen im Saarland. Darunter seien überwiegend schon vorhandene Naturschutz-, Landschaftsschutzgebiete und Flora-Fauna-Habitate gewesen. "Eigentlich ist das also keine neue Entwicklung", meinte Jung. Trotzdem wird zurzeit landauf, landab über Natura-2000-Flächen diskutiert. Bis Ende 2016 werden nämlich diese Gebiete nach und nach auch rechtlich unter Schutz gestellt, die Schutzbestimmungen also in Paragrafen gefasst. Dabei werde das übliche Verfahren angewandt, so Jung. Die Kommunen werden angeschrieben und um Stellungnahmen gebeten. Die Pläne liegen in den Rathäusern aus. Wenn es gewünscht werde, biete das Umweltministerium eine Bürgerversammlung vor Ort an. Ortsräte und Gemeinderäte könnten Stellungnahmen abgeben, die allerdings rechtlich unverbindlich sind. Jeder Bürger habe das Recht, Einspruch zu erheben. Kritik gibt es, weil die betroffenen Bürger nicht direkt schriftlich informiert werden. Das sei rein organisatorisch nicht machbar, sagte Jung. Es sei Aufgabe der Gemeinde, die Bürger zu informieren. Die Gemeinden müssten auch wissen, welche Natura-2000-Areale es bei ihnen gibt. Die seien bekannt. Das aktuelle Verfahren betreffe keine neuen Flächen.

Zum Thema:

HintergrundNatura 2000 ist die offizielle Bezeichnung für ein kohärentes Netz von Schutzgebieten, das innerhalb der Europäischen Union (EU) nach den Maßgaben der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, kurz FFH-Richtlinie errichtet wird. Sein Zweck ist der länderübergreifende Schutz gefährdeter wildlebender heimischer Pflanzen- und Tierarten und ihrer natürlichen Lebensräume. In das Schutzgebietsnetz werden auch die gemäß der Vogelschutzrichtlinie ausgewiesenen Gebiete integriert. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, in den ausgewiesenen Gebieten für einen in der FFH-Richtlinie definierten günstigen Erhaltungszustand der jeweils bedeutsamen Artenvorkommen und ihrer Lebensräume zu sorgen und jeweils alle sechs Jahre an die Kommission Bericht zu erstatten. Saarlandweit sollen 126 Gebiete ausgewiesen werden, alle Verfahren sollen möglichst bis 2016 abgeschlossen sein. frf

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