Die erste Schneiderin im Hochwald

Nonnweiler · Schere und Axt, Gefäße und Mahlsteine erzählen Geschichten vom Leben der Menschen vor mehr als 2000 Jahren. Entdeckt haben sie Archäologen in einem Gräberfeld auf der Gemarkung Bierfeld. Zum dritten Mal haben dort die Wissenschaftler gegraben.

 Vorsichtig werden die in einem Grab gefundenen Gefäße freigelegt. Fotos: Fritsch

Vorsichtig werden die in einem Grab gefundenen Gefäße freigelegt. Fotos: Fritsch

Sie sieht aus, wie eine Bügelschere, die heute noch zur Schafschur genutzt werden kann. Dabei gehörte sie vielleicht einer Schneiderin, die vor mehr als 2000 Jahren in Nonnweiler Kleider genäht hat. Entdeckt haben Archäologen die Überreste der Schere in einem Frauengrab auf einer Wiese auf Bierfelder Gemarkung. Dort befindet sich ein Gräberfeld aus spätkeltischer und frührömischer Zeit um 50 vor Christus bis zu Zeitenwende. Zum dritten Mal hatte die gemeinnützige Grabungsgesellschaft Terrex in Zusammenarbeit dem Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Münster unter der Leitung von Professor Ralf Gleser dort eine Grabung organisiert.

Ein Dutzend Helfer haben mehrere Wochen lang geforscht, dabei sechs neue Gräber entdeckt. "Diese waren nicht so reichhaltig, wie in den Jahren zuvor", berichtet Thomas Fritsch, Leiter des Terrex-Forschungsprojektes Keltischer Ringwall Otzenhausen. Gefunden habe man Keramik- und Vorratsgefäße, Teile von Amphoren, Becher, Schmuckfibeln sowie Gewandnadeln. Und die schon erwähnte Schere aus einem Frauengrab. Auch den eisernen Kopf einer Axt aus einem Männergrab.

Eine Besonderheit sind jedoch unscheinbare Bruchstücke aus Basalt, die immer wieder in Gräbern dieses Bestattungsplatzes auftauchen. Sie gehören zu Getreide-Mahlsteinen, die vermutlich während der Bestattungszeremonie genutzt wurden, dann zerschlagen wurden und in die Grabschächte geworfen wurden. "Das gehörte wohl zu religiösen Riten, hat vermutlich eine kultische Bedeutung", sagt Fritsch. Bisher habe man solche Überreste von Mahlsteinen in keltischen Heiligtümern gefunden, aber noch nicht in Gräbern. "Das ist ein Novum", sagt Fritsch, "eine Besonderheit der hier damals lebenden keltischen Siedlergemeinschaft."

Von der Kelten- zur Römerzeit

Und noch etwas macht für die Wissenschaftler das Gräberfeld an einem Hang in der Nähe von Sitzerath besonders interessant, der zeitliche Übergang vom keltischen zum römischen Leben. "Dieser Übergang lässt sich an den Grabfunden gut ablesen", erklärt Fritsch. So finde man in manchen Gräbern rein keltische Beigaben, in anderen römische und in wieder anderen keltische und römische. Und das bei Menschen, die etwa zur gleichen Zeit gestorben sind. Herauslesen können die Experten dies an der Machart und den Verzierungen von Gefäßen, oder auch an neuen Typen von Schmuckfibeln. Fritsch: "Auch damals gab es Menschen, die voll auf das Neue abgefahren sind oder am Traditionellen festgehalten haben. Dieser Übergang ist total spannend."

In den Jahren vor Christi Geburt war der Hunnenring aufgelassen, die neue römische Obrigkeit war schon vor Ort. Stieß aber auch immer wieder auf Widerstand. Belegt sind Aufstände in Trier in der Zeit um 20 vor Christus.

2013 hat die Terrex gemeinsam mit dem Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Münster erstmals auf der Gemarkung Bierfeld gegraben. Und damals zwei Adelsgräber mit zahlreichen wertvollen Grabbeigaben entdeckt. Ein Grab enthielt mehr als 40 Keramikgefäße, auch eine 1,20 Meter hohe Weinamphore. Im zweiten Grab entdeckten die Forscher ein Gefäß, randvoll mit Schmuck. Zudem eine seltene Pyxis (Dose) aus Metall und eine mit Bronzeblech verzierte eiserne Radnabe. Bei der zweiten Grabung 2014 fanden die Wissenschaftler und ihre Helfer 15 Brandgräber. Unter anderem das Grab eines Kriegers mit Schwert, Lanzenspitze und Schildbuckel. Das enthielt zudem Teile eines Rennofens zur Metallschmelze, ein Hinweis auf die Eisenverhüttung vor mehr als 2000 Jahren.

 Die eiserne Schere aus dem Frauengrab kurz vor der Bergung.

Die eiserne Schere aus dem Frauengrab kurz vor der Bergung.

 Nahaufnahme eines frührömischen Tongefäßes.

Nahaufnahme eines frührömischen Tongefäßes.

 Die Ausgrabungsstelle, im Hintergrund der Dollberg.

Die Ausgrabungsstelle, im Hintergrund der Dollberg.

Den Grabungen vorausgegangen war 2012 eine geomagnetische Untersuchung des Geländes durch Geophysiker der Uni Münster. Diese ermöglichte einen Blick in den Untergrund. Auffälligkeiten im Boden wurden so entdeckt und konnten gezielt ausgegraben werden. Auch in diesem Spätsommer waren Geophysiker der Uni Münster in Nonnweiler unterwegs. Sie untersuchten das Gelände auf dem Spillert in Nonnweiler . Dort wurden im vergangenen Jahr bei einem Grabungscamp erste Überreste eines römischen Gutshofes ausgegraben. Jetzt ging es darum, Informationen über die Größe des Hofes zu gewinnen.

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