Sanfter Verkehr steckt im Stau

St Ingbert · Nach Meinung von Werner Matthias Ried verspielt die Biosphärenstadt St. Ingbert eine große Chance. Der Verkehrsexperte sieht die Stadt in ihren Planungen nach wie vor stark auf das Auto ausgerichtet. Der geplante Doppelkreisel in der Spieser Landstraße sei dafür ein Symbol.

 Undurchsichtiger Schilderwald: Allein im Umkreis von 50 Metern um die Kreuzung an „Wendlings Eck“ in St. Ingbert sind über 40 Verkehrsschilder und Ampeln zu zählen. Foto: Manfred Schetting

Undurchsichtiger Schilderwald: Allein im Umkreis von 50 Metern um die Kreuzung an „Wendlings Eck“ in St. Ingbert sind über 40 Verkehrsschilder und Ampeln zu zählen. Foto: Manfred Schetting

Foto: Manfred Schetting

Das Thema "sanfter Verkehr" kommt in St. Ingbert nicht voran. So sieht es Werner Matthias Ried, stellvertretender Landesvorsitzender des Verkehrsclubs Deutschland, kurz VCD. Ried wohnt mit seiner Familie seit zehn Jahren in der Mittelstadt, und der Verkehrsplaner der Deutschen Bahn hat sich in diesen Jahren öfter zu Wort gemeldet, um besonders den Verkehrsteilnehmern jenseits des Autos Gehör zu verschaffen. Sowohl im ADFC, dem deutschen Fahrradclub, als auch im VCD, der eine Regionalgruppe St. Ingbert und Biosphäre hat, sei das Erstaunen groß, berichtet Ried, dass sich in St. Ingbert so wenig bewege: "Trotz neuem Oberbürgermeister hat sich nichts geändert. Es gibt engagierte Verwaltungsmitarbeiter, rührige Stadträte, es gibt eine Liste mit kritischen Punkten, aber es geschieht einfach nichts." Tatsächlich liegt es einige Jahre zurück, dass in der Stadt der Versuch unternommen wurde, Experten und Bürger in Sachen sanfter Verkehr an einen Tisch zu bringen. Im Zusammenhang mit dem Projekt "Stadt für alle" entstand vor fünf Jahren eine Liste mit 30 Punkten, die neuralgische Stellen für Radler und Fußgänger im Straßenraum benannte. Obwohl manches Problem ohne großen finanziellen Aufwand zu beheben sei, habe sich nichts getan, sagt Ried. Und Ideen wie etwa Fahrrad-Boxen am Bahnhof, die ebenfalls kostengünstige Verbesserungen darstellten, seien bis heute noch nicht umgesetzt.

Der VCD-Vorstand bezieht sich auch auf die aktuelle Diskussion um die Verkehrsentzerrung in der Spieser Landstraße: "Der geplante Doppelkreisel ist ein Symbol der autogerechten Stadt." Zwar sei es gut, dass an der Stelle etwas geschehe und ein Kreisverkehr sei besser als eine weitere Ampel, aber die Planung richte sich eben ganz nach den Autobedürfnissen aus. Andere Städte wie etwa Frankfurt setzten mittlerweile mehr auf das Rad. Auch die Beschilderung der Baustellen, die derzeit die Stadt überziehen, kritisiert Ried: "Sie ist oft widersprüchlich wie etwa in der Alten Bahnhofstraße vor dem Friseursalon Ganster." Systematisch würden Radfahrer und Fußgänger vergessen, wenn die Stadt Baustellen beschildere. Zum Beispiel wenn Sackgassen-Schilder aufgestellt würden, per Rad und zu Fuß ein Durchgang aber dennoch möglich bliebe. An einen Hinweis für diese Verkehrsteilnehmer denke niemand. Zugleich sei die Zahl der Verkehrsschilder in St. Ingbert viel zu groß.

Ried sieht ein "substanzielles Problem": Er fürchtet zunehmend, es gehe nicht nur um ein Nicht-Können, sondern um ein Nicht-Wollen. Bürger, die sich in dem Projekt "Stadt für alle" engagiert hätten, seien zunehmend frustriert. Mobilität betrachtet Ried als Standortfaktor. Eine befreundete Familie habe die Stadt verlassen, weil sie die Verhältnisse in St. Ingbert unzufrieden gemacht hätten. Die Biosphärenstadt verspiele mit ihrer Trägheit eine große Chance.

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