Stadtgespräch, neu definiert

Wallerfangen · Saarlouis wird zur Sprechoper. Stadtschreiber Alfred Gulden lässt 33 Saarlouiser Wesen auf der Bühne sprechen. Ein bisschen wie ein nächtlicher Fiebertraum, in dem alles fremd und doch irgendwie vertraut scheint. Das Sprechstück hat im November Premiere.

 Dieses Proben-Foto vom Sprechstück über Saarlouis, „SilberHerz“, hat sich Autor Alfred Gulden selber ausgesucht. Foto: Stadt/Christian Schu

Dieses Proben-Foto vom Sprechstück über Saarlouis, „SilberHerz“, hat sich Autor Alfred Gulden selber ausgesucht. Foto: Stadt/Christian Schu

Foto: Stadt/Christian Schu

Als Stadtschreiber von Saarlouis wird Alfred Gulden einen Roman über Saarlouis vorlegen: Er hat diese schriftstellerische Herausforderung als große Herausforderung angenommen. Das erste Kapitel bringt er außer ins Buch auch auf die Bühne. Premiere im Theater am Ring in Saarlouis ist im November.

"SilberHerz" heißt das Stück, inspiriert von der Silberherzstraße. Nicht bloß der Klang des Namens fasziniert den Autor, sondern auch, dass sich nicht wirklich klären lasse, woher er komme.

Silberherz ist ein Sprechstück, eine Sprechoper, geschrieben eigens für diese Theater-Bühne. Beim Werkstattgespräch zuhause in Wallerfangen wird deutlich, wie Gulden arbeitet. Er erschafft Saarlouis neu, indem er den Stoff, aus dem die Stadtgeschichte ist, neu träumt. Heraus kommt ein Saarlouis, das mit sich identisch ist, nichts ist hinzugefügt, versichert Gulden, aber es ist eben doch ein anderes. Ein anderes Bild der Stadt, eines, das man hört, eine ganz neue Definition von Stadtgespräch.

Ein Autor, so entwickelt sich das Stück, liegt nach einem Unfall bewusstlos im Krankenhaus. Er hört Stimmen im Kopf. Realitätspartikel nennt Alfred Gulden das, Fetzen aus Gegenwart und Geschichte von Saarlouis. Realitätspartikel sind Gesehenes, Erlebtes, Gelesenes, Gehörtes. Vor allem Sätze über Personen und von Personen. Die Partikel wollen raus aus dem Kopf. So finden sie ihren Weg ins Manuskript.

Natürlich steckt das alles nicht in einem Kopf, sondern in dem Dutzend Aktenordnern. in Kladden und Büchern, die Gulden in seinem Wohnzimmer auf den Boden gestellt hat. Aus diesen Realitätspartikeln hat Gulden 33 Sprech-Rollen geschaffen: Menschen wie die Stadtstreicher Maggi und Meggo, Stadtwesen wie Platanen, Tauben und Ratten . Jede dieser Stimmen erzählt, besinnt, erinnert sich. Nicht historisch, nicht erklärend, eher auf der Spur: Was können wir über uns sagen? Was ist was wert, was macht die Stadt als Gemeinschaft aus?

Die Rollen teilt Gulden Randfiguren zu, nicht den bekannten Akteuren der Stadt. Ganz nach der Erkenntnis der Ratten , die an einer Stelle sagen: Viel wichtiger für eine Stadt ist, was man nicht sieht. Die Sprechrollen wechseln sich mit einem Sprechchor ab.

Das Stück ist langsam entstanden. Gulden sagt, er habe kein festes Bild von Saarlouis vor sich gehabt, es habe sich "beim Legen der Teile so ergeben". Mit den Sprechern sei das Stück beim Werden in Wechselbeziehung getreten. Die Sprecher, allesamt Laien, Bürger, seien mit genau den Möglichkeiten, die sie haben, zu einem Ferment des Stückes geworden. Die Sprecher hätten sich auch hier und da gemeinsam Schauplätze in der Stadt angesehen und selbst ein neues Bild von Saarlouis gewonnen.

Eingetaucht hat Gulden dieses Stadtgespräch SilberHerz in, schwer zu sagen: Untergangsstimmung, Katastrophe, Unheil. "Unheil ist die Grundstimmung." Unheil, weil es immer irgendwie drohe, in dem Stück beginnend mit Cattenom. Und Unheil, sagt Gulden, stelle Grundsatzfragen an die Menschen: "Katastrophen verändern alles blitzartig."

Am Ende, fluchtartig auf dem Weg in die "Neue Welt" (Gulden bleibt daran hängen, dass in Saarlouis ein Friedhof so heißt), wie in einem Raumschiff alles hinter sich lassend, wird die Vergangenheit zum Baustoff der Zukunft. Der Baustoff ist das Erzählen. Das Erzählen vom Glück und vom Schönen, es zählt gar nicht, ob buchstäblich wahr oder nicht. Jedes der 33 Stadtwesen berichtet von kleinen Glücksmomenten aus der Erinnerung. Der Mensch ist eben doch nicht nichts, eröffnet sich im Erzählen. Womit Gulden, der große Erzähler, wieder in seiner Stadt und bei sich selbst ist.

 Alfred Gulden, 72, war für ein Jahr Stadtschreiber von Saarlouis. Foto: Thomas Seeber

Alfred Gulden, 72, war für ein Jahr Stadtschreiber von Saarlouis. Foto: Thomas Seeber

Foto: Thomas Seeber

Premiere: Samstag, 26. November, 20 Uhr. Karten: 10/7 (ermäßigt 8/5) Euro. Der Vorverkauf läuft u.a. bei Pieper Bücher, Phonac in der Galerie Kleiner Markt, Globus Saarlouis. Nach der Premiere weitere Termine.

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