„Lieber Syrien als Bulgarien“

Saarlouis · Das Saarland plant, mehrere syrische Kriegsflüchtlinge nach Bulgarien abzuschieben. Rechtlich mag das legal sein, menschenwürdig sei es allerdings nicht, kritisiert der Saarländische Flüchtlingsrat.

 Syrien-Flüchtlinge Gewan und Qomrya Badder (v.l.) sowie Mohammed Ahmad. Foto: Rolf Ruppenthal

Syrien-Flüchtlinge Gewan und Qomrya Badder (v.l.) sowie Mohammed Ahmad. Foto: Rolf Ruppenthal

Foto: Rolf Ruppenthal

"Wir sind vor dem Tod aus Syrien geflohen, in Bulgarien haben wir ihn täglich erleben müssen." Es sind drastische Worte, die Gewan Badder wählt. Der Saarländische Flüchtlingsrat und die Aktion Dritte Welt Saar ermöglichten es gestern, mit Hilfe von Dolmetschern mehr über das Schicksal von Badder und seiner Familie zu erfahren.

Badder und seine Frau wirken aufgewühlt während des Gesprächs mit Pressevertretern, immer wieder kommen ihnen Tränen in die Augen. Zwölf Tage habe ihr Marsch aus der kriegsgebeutelten syrischen Heimat zur vermeintlich rettenden bulgarischen Grenze gedauert. Zehn Monate hätten er, seine Frau und ihre drei Kinder dann in bulgarischen Asylunterkünften verbracht. Badder berichtet von wiederholten Schlägen gegen erwachsene Flüchtlinge, zeigt auf dem Smartphone Fotos von einer völlig vermüllten und verdreckten Toilette ohne Tür. Badders Frau Qomrya erzählt von "Spuren von menschlischem Blut im Essen".

Unter Tränen erzählt sie, die katastrophalen hygienischen Bedingungen in Bulgarien in Verbindung mit einer fehlenden medizinischen Versorgung sei besonders für ihre Kinder fatal gewesen. Alle drei seien derzeit wegen Hepatitis B in Behandlung. Die Angst, in Syrien von einer Kugel getroffen zu werden sei nicht so groß gewesen wie die Angst um das Leben seiner Kinder in Bulgarien , fasst es ihr Mann zusammen. Kurz, lieber ginge er zurück in sein Geburtsland als wieder nach Bulgarien zu müssen. Im September waren sie von dort über Rumänien, Ungarn und Österreich weiter nach Deutschland geflohen.

Der Syrer und seine Familie sind seit Herbst vergangenen Jahres im Asylheim in Lebach untergebracht, doch sie könnten jederzeit nach Bulgarien abgeschoben werden, wie ihr Anwalt Heinz-Peter Nobert der SZ erklärt.

Ein ähnliches Schicksal droht Mohammad Ahmad, einem Asylbewerber in Lebach. Auch er berichtet, dass er zu Fuß aus der Heimat in Syrien nach Bulgarien geflohen sei. Er erzählt von Schlägen durch bulgarische Polizisten und von Folter mit Elektroschockern. "Wie Säcke" habe man sie abtransportiert. Ahmad, der seit drei Jahren keinen Kontakt zu seiner in Syrien zurückgebliebenen Frau und seinen Kindern hat, sei mit Hilfe von Schleusern nach Deutschland gelangt.

Das Saarland will ihn und die Badder-Familie nun nach Bulgarien abzuschieben. Laut Saar-Innenministerium wurden seit vorigem Jahr bereits vier syrische Staatsangehörige nach Bulgarien ausgewiesen. Laut der sogenannten Dublin-III-Verordnung können Flüchtlinge nämlich ganz legal in das EU-Land zurückgeschickt werden, das sie zuerst betreten haben. Doris Klauck vom Vorstand des Saarländischen Flüchtlingsrats fordert dennoch einen Abschiebestopp nach Bulgarien , da dort kein menschenwürdiges Leben gewährleistet werden könne. Außerdem sei die dortige Gesellschaft "von Rassismus und Ausgrenzung geprägt". Badders Anwalt hat gegen die ablehnenden Asylbescheide für seine Mandanten Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht. Die Klage habe allerdings, so sagt er offen, "wenig Aussicht auf Erfolg". Als letzte Chance sehe er eine positive Entscheidung durch die Härtefall-Kommission des Landtags. Das Innenministerium sagt jedoch, dass diese gar nicht zuständig sei. Badder verrät, seine Kinder litten, seitdem die Rückreise nach Bulgarien drohe, unter Albträumen. Warum, so fragt er, bekomme seine Familie nicht "einfach etwas Frieden"?

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