Pirat – das kann halt nicht jeder

Unsere Woche · Diese Woche bescherte uns eine herbe Enttäuschung. Die Piraten im Stadtrat sind von der Fahne gegangen und übergelaufen. Bürgerlich formuliert: Sie sind bei der Piratenpartei aus- und bei den Grünen eingetreten.

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Foto: Robby Lorenz

Und das ist eine Unverschämtheit. Denn als ihre Wähler für die Piraten stimmten, da vergaben sie doch einen klaren Auftrag. Die Wähler wollten Piraten im Rat. Sie wollten eine Opposition der besonderen Art. Sie wollten, dass tollkühne, smarte Männer und Frauen auf kleinen schnellen Briggs (bevorzugte Segelschiffe von Piraten) die großen, trägen Galeonen, die Dickschiffe der etablierten Politik angreifen, umkreisen, verunsichern, auf einen neuen Kurs zwingen - und ihnen womöglich irgendwann die Herrschaft über die Weltmeere bzw. die Zügel der Stadtpolitik entreißen. So ähnlich wie weiland der ehemalige Schiffsjunge Francis Drake dem König Philipp von Spanien die ganze Weltherrschaft kaputtgemacht hat. Oder - etwas bescheidener - so wie wir es aus dem Kino kennen, von Errol Flynn , Burt Lancaster und ein bisschen auch von Capt'n Jack Sparrow (zu Deutsch: Kapitän Hans Spatz - der Name sagt alles, frech, schnell, überlegen). Und jetzt? Jetzt sind die Saarbrücker Stadtratspiraten auf eine Galeone umgestiegen. Begründung: Sie sind mit ihrer Piratenpartei nicht mehr zufrieden. Ja, deshalb muss man doch nicht überlaufen. Man kann doch auch unter Piraten meutern und dann einfach seinen eigenen Kurs fahren. Man muss doch nicht bei den Gegnern unterkriechen. Beispiele gibt's genug - historische und solche aus Hollywood. Diese Kritik müssen sich unsere Ex-Ratspiraten schon gefallen lassen. Denn sie waren es ja, die sich Piraten nannten, um in den Stadtrat zu kommen. Sie waren es, die bei uns die Hoffnung weckten, mit ihnen kämen Pfiff und Charme à la Errol Flynn und Burt Lancaster in die Stadtpolitik. Die erste Enttäuschung bescherten sie uns schon kurz nach der Wahl beim Kampf um die Sitze in den Stadtratsausschüssen. Da stimmten sie einfach mit den Großen - während die anderen kleinen Parteien den Großen im Handstreich mehrere Sitze abnahmen. So, wie man es eigentlich von Piraten erwartet hätte. Naja, sagten wir uns damals, das sind sicher Anlaufschwierigkeiten. Aber seit dieser Woche wissen wir es nun endgültig: Nicht jeder kann Pirat. Blöd ist halt, dass jeder sich Pirat nennen darf, weil die Berufsbezeichnung in Deutschland nicht geschützt ist. Da sollte man auf alle Fälle mal was machen. Grottenfalsch wäre dagegen die Folgerung: In einem seriösen Stadtrat haben Piraten sowieso nichts verloren. Denn da geht es ja nicht um tollkühne Manöver zur See, sondern um das Wohl der Bevölkerung . Hier müssen wir aufklären: Auch Sir Francis Drake saß im Stadtrat, in dem von Plymouth, ja, man wählte ihn sogar zum Bürgermeister seiner Heimatstadt. Und er - der Pirat - verschaffte der Stadt dann eine Frischwasserversorgung. Und die Stadträte verdonnerte er dazu, sich grundsätzlich ganz in Rot zu kleiden, wenn sie auf die Straße gingen. Jeder sollte sie als Stadträte erkennen und ihnen dann seine Anliegen vortragen können. Da war nix mit einem Stadtrat, der im Elfenbeinturm über die Köpfe der Bevölkerung hinwegregierte. Nee, nee. Aber der Drake war ja auch ein echter Pirat - kein Überläufer.

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