Holzfällen mit dem kleinen Finger

Dorf im Warndt · Derzeit werden in zahlreichen saarländischen Forstrevieren Bäume mit Erntemaschinen gefällt, entastet und zerlegt. Diese Vollernter haben große Vorteile gegenüber der „motormanuellen“ Arbeit, verdichten aber auch den Boden. Gute Organisation ist wichtig.

 Harvester wie hier im Staatsforst in Altforweiler sind auch im Warndt im Einsatz. Foto: Becker&Bredel

Harvester wie hier im Staatsforst in Altforweiler sind auch im Warndt im Einsatz. Foto: Becker&Bredel

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Im Warndtwald herrschen knapp über null Grad, aber Holzfäller Iljil Coca fühlt sich im T-Shirt wohl. Nicht weil er ins Schwitzen gekommen wäre; sein Arbeitsplatz ist eine klimatisierte Kabine. 22 Grad Innentemperatur hat der kleine stämmige Mann aus Rumänien eingestellt. Schon sein Opa und sein Vater seien Waldarbeiter gewesen, schwärmt er von seinem Beruf. Der ist mit "Maschinenführer" aber treffender beschrieben. Coca, der Angestellter einer Forstwirtschaftsfirma aus Mosbach ist, bedient aus seinem bequemen Führerstand einen sogenannten Harvester, auch Vollernter genannt, eine fahrende Holz erntemaschine, die Bäume fällt, entastet, vermisst, schneidet und am Rand der Rückegasse stapelt. Der Waldbesucher erkennt die vom Harvester geernteten Bäume leicht an ihrem Lochmuster, das die Greifarme in der Rinde hinterlassen. Cocas "Timberjack", ein solides Mittelklassemodell, hat sechs Räder und einen Greifarm von zehn Metern Länge und über 100 PS.

Saarforst-Revierleiter Georg Heib hat dem Mann im Harvester schon Tage vor dem Arbeitseinsatz die erntereifen Bäume mit Sprühfarbe unzweideutig markiert. Hier, auf dem sandigen Boden bei Überherrn, werden vor allem Nadelbäume entnommen. Aus ihnen werden Paletten, Bauholz oder Holzschnitzel für die Laminatplattenfabrik in Heusweiler-Eiweiler. Nach der späteren Verwendung richtet sich auch das Ernte-Programm, das Coca in seinem Cockpit-Computer einprogrammiert hat. Mit je einem Stick für jede Hand fällt, schneidet und sortiert er das Holz nach mehreren Sortimenten, quasi mit Bewegungen des kleinen Fingers.

Förster Heib ist zufrieden, dass er den Rumänen Coca hat. "Dem muss man nicht jeden Tag alles erklären, er weiß, was er zu tun hat und denkt mit." Der erfahrene Holzernter kann die Bäume so präzise entnehmen, dass sie beim Fällen keine anderen Stämme beschädigen, er arbeitet in dieser Hinsicht vielleicht schonender als es die besten Waldarbeiter mit der Säge je könnten. Auch bei der Arbeitssicherheit haben Harvester unbestrittene Vorteile gegenüber der traditionellen motormanuellen Holzwirtschaft. Da eine Maschine über den Daumen fünf- bis zehn Mal so viel schafft wie ein Mensch, sinkt zwar die Zahl der eingesetzten Personen, damit aber auch signifikant das Risiko von Unfällen.

Viele Forstleute sehen die Erntemaschinen aber auch mit einem Unbehagen, denn sie verdichten den Waldboden. Obwohl ihre extrem breiten Räder den Druck ihrer Tonnen verteilen, leiden vor allem die Wurzeln der Bäume entlang der Rückegassen. Der Vollernter wirft die abgestreiften Äste als Polster auf die Fahrgasse. Dadurch wird der Bodendruck der fahrenden Maschine zusätzlich vermindert. Aus ökologischen Gründen sähe es der Förster aber lieber, wenn Kronen und Reisig im Wald verblieben. Sie von der Gasse dorthin zu ziehen, wäre aber zu aufwendig.

Da im Saarland die sogenannte naturnahe Waldwirtschaft praktiziert wird, liegen die Rückegassen relativ weit auseinander, nämlich vierzig Meter. Nur auf diesen Wegen, die immer wieder benutzt werden, dürfen Forstmaschinen fahren. Da der Harvester maximal zehn Meter weit in den Wald greifen kann, bleibt also überall ein unbearbeiteter Streifen von 20 Meter Breite stehen. In ihm werden die Bäume weiter mit der Motorsäge gefällt. Sogenannte "Vorliefertrupps" aus zwei "Zufällern" (sie arbeiten natürlich nicht nach Zufall, sondern fällen dem Harvester Material zu) und einem Rückschlepper rücken die Stämme in Reichweite der Harvester, der sie verarbeitet.

Danach schleppt der "Forwarder" (Tragschlepper) das Holz auf Polderplätze, die für Lastwagen zum Aufladen und zum Transport an die Kunden befahrbar sind. Man kann sich vorstellen, dass solche Harvester-Einsätze mit all den Arbeiten davor und danach gute Vorbereitung und Teamarbeit verlangen. Der Saarforst, der weder Harvester noch Maschinenführer für solche Maschinen hat, vergibt die Arbeiten an Dienstleister.

Förster René Fontaine, der die Einsätze landesweit koordiniert, wünschte sich ein leichteres Procedere. Statt, wie praktiziert, die Harvester-Aufträge Monate im Voraus per Ausschreibung zu vergeben, würden die Forstleute die Maschinen lieber kurzfristig nach Wetterlage ordern. Die Planwirtschaft im Wald passt nicht recht auf die forstlichen Gegebenheiten. Auch hier täte ein Bürokratieabbau gut.

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Hintergrund: Harvester, auch Vollerntemaschinen, werden in Deutschland vor allem seit 1990 eingesetzt, damals zur massenhaften Aufarbeitung von Sturmholz. Heute werden in Deutschland etwa 30 bis 40 Prozent der Holzernte mit solchen Maschinen eingebracht. Im Saarforst sind es 20 Prozent, Tendenz gleich bleibend. 2015 sollen im Saarforst 210 000 Festmeter Holz eingeschlagen werden, davon 42 000 mit Harvestern. Der Stadtforst Saarbrücken verzichtet auf Harvester.

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