Wenn der Briefträger nicht klingelt

Merzig · Ein Merziger Paar will kurzfristig heiraten, heute um zehn Uhr. Es fehlt die Geburtsbescheinigung der Braut. Die Standesämter spielen mit, die Post aber nicht. Es beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit.

Traumhochzeit in Weiß, in einer schönen Kirche, vor 100 Gästen, mit Band, Buffet und Blumen? Firlefanz. "Wir machen das jetzt einfach”, sagt die Braut. Montag zum Standesamt , alles in die Wege leiten, vier Tage später, also am heutigen Freitag, heiraten. Nur im Beisein der Kinder, ohne weitere Gäste, ohne Schnickschnack, ganz stressfrei. Und zwei Tage später, nach der Firmung der Kinder, vor versammelter Verwandtschaft: Übrigens, wir haben geheiratet.

So der Plan. Und er schien aufzugehen: Das Standesamt Merzig hat mitgespielt, die Spontan-Hochzeit sollte kein Problem darstellen. Bloß die Geburtsbescheinigung der Braut brauchte es noch, die kommt nämlich nicht aus Merzig . Also ein Anruf beim Standesamt im Heimatort der Braut, und auch diese Hürde sollte problemlos gemeistert werden: Die Bescheinigung ging noch am Montag per Nachnahme mit der Post raus, sodass sie spätestens Donnerstag ankommen sollte und heute, Freitag, geheiratet werden kann. Denkste.

Der Briefträger kam zwar am Donnerstag. Er klingelte aber nicht, sondern hinterließ bloß den berüchtigten Zettel im Briefkasten: Der Brief kann am nächsten Morgen, also Freitag, ab 10 Uhr in der örtlichen Postfiliale abgeholt werden. Hochzeitstermin: Freitag, 10 Uhr. Da fing die Panik an.

Die Braut rief bei der Deutschen Post an, landete in der Beschwerdestelle, legte ihren Fall dar. Entschuldigte sich schon im Vorfeld für ihren etwas aufgeregten Ton, aber es ging schließlich auch um was: "Wir können deshalb morgen nicht heiraten!” Und der durchaus freundliche Herr am anderen Ende der Leitung? "Da kann ich leider nichts machen.” Ob sich nicht irgendwelche Hebel in Bewegung setzen ließen, um den Brief noch rechtzeitig zu erhalten? Ob sie vielleicht mit der Poststelle Merzig verbunden werden könne, das sei doch ein kleines Städtchen, die würden doch sicher versuchen zu helfen? Antwort des Mannes am Telefon, der ernsthaft betroffen und verzweifelt angesichts der Lage war: Dürfe er leider nicht. Nichts zu machen.

Auf Nachfrage der Saarbrücker Zeitung zog die Pressestelle der Deutschen Post gestern Mittag dann erst einmal in Zweifel, ob der Briefträger wirklich nicht geklingelt hat. Um dann aber gleich tätig zu werden: Absender und Empfänger bräuchten sie, dann würden sie sich bemühen, den Brief doch noch rechtzeitig an die Frau zu bringen. Es ging ja also doch. Etwa, weil jetzt die Presse anrief? Nein, erklärt der Pressesprecher, solche dringenden Fälle würden von der Telefonstelle, bei der die Braut angerufen hatte, eigentlich gleich an die betreffenden Stellen weitergeleitet, um noch eine Lösung zu finden. Der Mitarbeiter in der Telefonstelle habe da offenbar einen Fehler gemacht.

Zum Happy End kam es dann aber auch ohne das Bemühen der Post, denn die Ämter zeigten sich flexibel. Das Standesamt aus dem Heimatort der Braut hat dem Standesamt Merzig eine Kopie der Geburtsbescheinigung gefaxt, das gehe zur Not auch. Und Braut und Bräutigam können ihren Bund heute besiegeln. Nur am Ende nicht ganz so stressfrei wie erhofft.


Meinung:

Chance vertan

Von SZ-Redaktionsmitglied Lars Reusch

Da hat die Deutsche Post aber eine große Chance verpasst. Man male sich das Bild aus: Ein heldenhafter Post-Angestellter rettet das entscheidende Dokument aus den tiefen Schluchten der Post-Bürokratie, rast zum Rathaus und legt es in letzter Sekunde in die Hände der bangenden Brautleute - die sich aber natürlich erst einmal ausweisen müssen. Süß wie an Weihnachten, und das mitten im Oktober.

Daraus wurde aber nichts. Gescheitert an den Worten eines Hotline-Angestellten: Da können wir leider nichts machen. Die Heldenrolle nehmen diesmal stattdessen die Ämter ein. Das ist doch auch mal eine Pointe.

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