Die Angst der Mitarbeiter bleibt

Beckingen · Die Angst vor einer ungewissen Zukunft nimmt die Betriebsversammlung den 340 Mitarbeitern nicht. Gestern wurde verkündet: Whitesell hält am Beckinger Werk fest, die Belegschaft wird auf rund 300 reduziert.

 Das Werksgelände der Beckinger Schraubenfabrik. Foto: Peter Detzen

Das Werksgelände der Beckinger Schraubenfabrik. Foto: Peter Detzen

Foto: Peter Detzen

Gestern kurz nach 14 Uhr vor dem Gelände der Beckinger Schraubenfabrik: Mit versteinerten Mienen eilen viele Mitarbeiter durch das Werkstor. Die Botschaft, dass im Beckinger Werk von Whitesell weiter produziert wird, wie unmittelbar zuvor in der Betriebsversammlung verkündet, kann ihre Laune nicht heben. Mit dem Bekenntnis, an dem Standort festzuhalten, steht Whitesell-Deutschlandchef Bob Wiese zu seinem Wort, das er Wirtschaftsstaatssekretär Jürgen Barke (SPD ) im Juli gegeben hatte. Doch Freude kann bei den rund 340 Mitarbeitern nicht aufkommen. Grund: Sie erfuhren von dem endgültigen Aus der Niederlassung in Neuss - eine Sache, die gerüchteweise seit geraumer Zeit die Runde in der Belegschaft des Werkes machte, das im Laufe von gut drei Jahrzehnten sieben Mal den Besitzer gewechselt hat. Zu dem Mitgefühl mit den rund 300 Kollegen am Rhein, die ihren Job verlieren, kommt die Angst vor ihrer Zukunft. Zwar soll die Belegschaft, anders als bislang befürchtet, nur von zirka 340 auf rund 300 verkleinert werden, doch die Ungewissheit bleibt. Deshalb sind die Kommentare vieler Mitarbeiter mehr als dürftig.

"Nichts, was wir schon wussten", antwortet einer der Mitarbeiter auf die Frage eines wartenden Journalisten, der von ihm Neuigkeiten aus der Betriebsversammlung erfahren wollte. Sein Kollege nickt zustimmend. "Ob die Arbeitsplätze hier sicher sind, kann uns keiner sagen", meint Thomas Rech aus Saarlouis. "Neuss ist zu, Schrozberg nicht sicher" - eine Aufassung, die sein Kollege Roman Sparth teilt.

"Die Kunden brechen uns weg", sagt Armin Müller , seit 37 Jahren Werksanhöriger. "Mal sehen, wie es mit unseren Jobs hier weitergeht. Die Produktion wurde erheblich zurückgefahren", ergänzt er - für Guido Lesch von der IG Metall ein Problem der Chefetagen des US-Unternehmens: "Die Automobilindustrie in Deutschland boomt, die Zulieferer haben Hochkonjunktur, und manche Schraubenhersteller müssen sogar Aufträge ablehnen, weil sie nicht mehr nachkommen. Nur Whitesell schafft es nicht, eine Auslastung hinzubekommen." In der Preissteigerung von 30 und mehr Prozent habe das Unternehmen es geschafft, die Kunden zu vergraulen. Lesch, zweiter Bevollmächtigter der Gewerkschaft in Völklingen, fordert einen runden Tisch, an dem Whitesell, Arbeitnehmer und Kunden Platz nehmen sollen, moderiert von der Landesregierung. "Es müssen für alle Beteiligten seriöse Rahmenbedingungen geschaffen werden."

Die Verantwortlichen des US-Unternehmens haben sich nach Ansicht des zweiten Bevollmächtigten für das Beckinger Werk entschieden, "da die Belegschaft hochqualifitiert, hochmotiviert und hochflexibel ist". Zudem sei der saarländische Standort ein autarkes Werk - "mit einer zentralen Funktion", ergänzt der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Marco Hewer. "Wir haben hier mittlerweile die zentrale Logistik und den Versand."

In den 32 Jahren, in denen er in dem Werk arbeitet, hat er acht Besitzer erlebt und bei drei Insolvenzen um seinen Arbeitsplatz bangen müssen. "Da braucht man schon gute Nerven." Derweil bedauert Jürgen Jochem, seit 1998 an Bord, die Mitarbeit mit Zeitverträgen. "Die haben doch keine Chance. Für sie sieht es schlecht aus." Derweil überlegt Betriebsratsvorsitzender Gerfried Lauer klar, wie die Reduzierung der Belegschaft ohne Kündigungen, wie von der Geschäftsleitung gefordert, geregelt werden kann. "Ein Modell ist die Altersteilzeit für ältere Mitarbeiter", sagt er.

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