Eine Zukunft ohne Whitesell?

Beckingen · Gestern ist die Belegschaft der Beckinger Schraubenfabrik darüber informiert worden, dass Inhaber Whitesell für seine vier deutschen Werke Insolvenzantrag gestellt hat. Die Stimmung im Werk schwankt zwischen Schock und Hoffnung.

 Wie geht es weiter mit Whitesell in Beckingen?

Wie geht es weiter mit Whitesell in Beckingen?

Foto: Peter Detzen

Gestern sind die Mitarbeiter des Beckinger Traditionswerkes informiert worden, dass der US-Eigner Whitesell Insolvenz angemeldet hat. "Der Antrag ist am Mittwoch beim Amtsgericht Düsseldorf eingegangen", sagt der zweite Bevollmächtigte der IG Metall , Guido Lesch - für ihn ein weiteres Zeichen, wie skrupellos die Amerikaner mit ihren Mitarbeitern umgehen. Ende 2013 hatte der Automobil-Zulieferer die Werke von Ruia gekauft. Steht die Beckinger Schraubenfabrik vor dem Aus? Oder haben die rund 360 Mitarbeiter ohne Whitesell die Chance, mit einem seriösen Investor das Traditionswerk zu retten? Gedanken, die vielen aus der Belegschaft an diesem Donnerstag durch den Kopf gehen. Seit der Übernahme durch das US-Unternehmen zittern die Mitarbeiter um ihre Jobs. Schon wenige Monate nach der Übernahme drohte Whitesell damit , Stellen zu streichen. Zudem hatte das Unternehmen derart an der Preisspirale gedreht, dass viele Großkunden sich von Whitesell abwandten - zuletzt BMW . Wolfgang Dillenburg, seit fast 19 Jahren Werksangehöriger, nennt es eine dicke Überraschung, dass der Antrag kurz vor der monatlichen Lohnzahlung bei Gericht eingegangen ist.

"Ich hoffe, dass das Kapitel Whitesell jetzt endlich abgeschlossen sein wird", kommentiert Christoph Kreis, der seit 38 Jahren in dem Traditionswerk arbeitet, die Entwicklung. "Wer so wie deren Verantwortliche agiert, tritt Menschenrechte mit Füßen." Er mutmaßt, dass dem US-Eigner die Lohnkosten über den Kopf gewachsen sind. "Hauptsache, seine Kasse stimmt", kritisiert er. "Das war doch von langer Hand geplant", vermutet Michael Palz. "Von einem Tag auf den anderen waren die Geschäftsführer in Amerika, ähnlich wie die Vertrauten des Vorbesitzers Ruia" - eine Aussage, die Jürgen Hewer unterstützt. Ihn und Palz treibt eine Frage um: Werden die Maschinen und das Gebäude des Beckinger Werkes in die Insolvenzmasse einfließen? Oder bleiben sie unangetastet, da für sie eine eigene Holding in Luxemburg gegründet worden ist? "Ich gehe davon aus, dass der Insolvenzverwalter auf Maschinen wie auch auf Gebäude Durchgriffsrecht hat", sagt Gewerkschafter Lesch. "Sonst können wir das deutsche Insolvenzrecht in die Tonne treten. Dann würden Betriebsangehörige und die Allgemeinheit die Zeche zahlen, und die Besitzer würden den Reibach machen."

Nach anfänglichem Schock überwiegt beim Betriebsratsvorsitzenden Gerfried Lauer der Optimismus: "Jetzt kann Whitesell nicht mehr in den Verkaufsprozess eingreifen. Wir haben ernsthafte Interessenten." Die Hoffnung, die Lauer und Lesch hegen: Mit einem guten Investor wieder die alten Kunden zurückgewinnen. Daniel Minas, Beckingens erster Beigeordneter, wünscht sich, dass die Arbeitsplätze in der Traditionsfirma gesichert werden können und dass die Großkunden , die Whitesell den Rücken gekehrt haben, wieder zurückkehren. "Dass es Interessenten gibt, lässt uns hoffen." Mit der Landesregierung müssten jetzt alle Beteiligten an einer Lösung arbeiten. "Die jetzige Situation ist eine Folge eines desaströsen Managements - die Belegschaft hat das nicht verdient", kommentiert der SPD-Landtagsabgeordnete Stefan Krutten die Insolvenz. Er verweist auf die Preiserhöhungen, die die Kunden fast völlig abschreckten und fatale Folgen für die Auslastung des Beckinger Werkes hatten.

Jetzt setzten die Mitarbeiter ihre Hoffnungen auf das Insolvenzverfahren und einen erneuten Besitzerwechsel. Krutten begrüßt die Äußerungen des Insolvenzverwalters Dr. Bähr: "In den vergangenen Monaten ist es wohl zu erheblichen Differenzen zwischen dem Unternehmen und einigen Kunden gekommen. Hier werde ich ansetzen müssen." Für den CDU-Landtagsabgeordnete Frank Finkler wäre es optimal, wenn ein seriöser Investor einsteigen und alle vier Standorte am Leben erhalten würde. "Wir müssen mit Landesregierung, Gewerkschaft und Betriebsrat die beste Lösung für die Mitarbeiter finden."

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