Endet die Tristesse an der Nahe?

Idar-Oberstein · Zahlreiche Leerstände prägen die Innenstadt von Idar-Oberstein, es herrscht Tristesse. Doch langsam gewinnt die Stadt in Rheinland-Pfalz wieder an Attraktivität – nicht zuletzt wegen ihres Rufes als Edelstein-Stadt.

 Hinter der Fußgängerzone Idar-Obersteins ragt die Felsenkirche hoch auf. Foto: Manfred Voltmer

Hinter der Fußgängerzone Idar-Obersteins ragt die Felsenkirche hoch auf. Foto: Manfred Voltmer

Foto: Manfred Voltmer

Die Stimmung im Zentrum des Stadtteils Oberstein an der Nahe ist trostlos: Graffiti-Schmierereien, Vandalismus, eingeschlagene Scheiben an zwei leerstehenden Warenhäusern, die noch in den 1990er Jahren Fortschritt und Moderne repräsentierten: Das "Nahe-Haus" und direkt daneben das einstige Kaufhaus Hertie. Zumindest für Letzteres scheinen sich neue Perspektiven aufzutun: Der Globus-Konzern ist jetzt neuer Eigentümer des Beton-Koloss'. Mit einem Misch-Konzept will Globus abgewanderte Käuferscharen anlocken. In den nächsten Wochen sollen die Pläne vorgestellt werden, hieß es.

Zahlreiche Leerstände trüben auch in der einst beliebten Fußgänger-Zone den Blick auf die weltberühmte Felsenkirche und das von Touristen ebenfalls gern besuchte Burgschloss. Die Stadtplaner sehen dafür verschiedene Gründe: Idar-Oberstein ist von rund 40 000 Einwohnern innerhalb von 20 Jahren bis heute auf etwa 28 000 geschrumpft. Vor allem der Abzug von Bundeswehr- und US-Einheiten sorgte für den Aderlass. Das ließ die Immobilien-Preise in den Keller rutschen: In der Fußgängerzone beispielsweise konnte man besondere "Schnäppchen" machen: Für etwa 30 000 Euro waren gut erhaltene, wenn auch ältere Häuser zu haben.

Inzwischen geht der Preis-Trend wieder nach oben, und auch einige leerstehende Läden sind zu Beginn der Touristen-Saison wieder bezogen, zum Beispiel von Eis-Café-Betreibern oder Schmuck- und Edelstein-Händlern, die sich in ihrer Vielzahl aber untereinander gewaltig Konkurrenz machen. Noch vor ein paar Jahren konnten die meisten von ihnen sorgenfrei leben. Das hatten sie im Wesentlichen den amerikanischen Kunden zu verdanken. Allein im benachbarten Baumholder lebten noch vor wenigen Jahren 24 000 US-Soldaten mit ihren konsumfreudigen Familien. Heute sind es gerade noch 8000. Und auch die in Idar-Oberstein stationierten 2000 US-Soldaten sind längst abgezogen. Ihr Militär-Depot und Material-Lager auf dem Gelände des heutigen Gewerbeparks ist aufgelöst. Die dazugehörige Strasbourg-Kaserne steht leer. Dankbar ist die Stadt der Bundeswehr : Sie ist nach wie vor präsent in der Nahe-Stadt, wenn auch mit weitaus geringerer Mannzahl. Insofern gehe von den rund 1400 stationierten Soldaten, 300 Zivil-Beschäftigten und 1300 Lehrgangs-Teilnehmern pro Jahr (Artillerie-Schule) nach wie vor wichtige Kaufkraft aus, hieß es.

Kein Thema für die Einheimischen ist die Beton-Abdeckung der Nahe. Dort, wo sich bis Anfang der 1980er Jahre das beschauliche Flüsschen durch die Edelstein-Stadt schlängelte, fließt über dem zubetonierten Flussbett der Autoverkehr über die Bundesstraße 41. Die Alteingesessenen jedoch trauern der "guten alten Zeit" nach. Heute wäre der Auto-Verkehr durch die seitdem zur Fußgängerzone avancierte Hauptstraße nicht mehr machbar - so die fast einhellige Meinung der Einwohner und Geschäftsleute.

Idar-Oberstein leidet aus Sicht mancher Kritiker auch darunter, dass die nächsten Autobahn-Anschlüsse etwa 30 Minuten Fahrzeit entfernt liegen. Oberbürgermeister Frank Frühauf (CDU ) sieht darin nicht unbedingt einen Nachteil. Die Infrastruktur sieht er durchaus positiv. Mit dem Haushaltswaren-Hersteller Fissler, mehreren Gewerbe- und IT-Betrieben halte Idar-Oberstein Tausende von Arbeitsplätzen vor, sagt Frühauf. Die Arbeitslosenquote liege mit etwa sechs Prozent im Landesdurchschnitt.

Nicht zu vergessen die traditionellen Betriebe der Schmuck- und Edelstein-Branche: Noch immer verarbeiten etwa 3500 Idar-Obersteiner in rund 750 Manufakturen Edelsteine und Halbedelsteine zu Schmuck , der in alle Welt exportiert wird - trotz der billigeren Konkurrenz aus Fernost. Die beiden Museen, das Deutsche Mineralienmuseum und das Deutsche Edelsteinmuseum, bieten ihren Besuchern einen Einblick in die Welt wertvoller Steine. Die Nahestadt ist bei den Touristen zudem wieder zunehmend gefragt wegen der Edelstein-Minen Steinkaulenberg. Bei dem weitverzweigten Besucher-Stollen handelt es sich um die einzigen Edelstein-Minen Europas, die zur Besichtigung freigegeben sind.

Einen eindeutigen Trend nach oben bei den Besucherzahlen meldet die Park-Verwaltung des Nationalparks Hunsrück-Hochwald. Geführte Ranger-Touren würden zunehmend ab Idar-Oberstein angefragt und gebucht, hieß es. Das Tourismus-Büro der Stadt ist davon überzeugt, dass sich auch der beliebte Premium-Wanderweg Saar-Hunsrück-Steig positiv auf die Übernachtungszahlen des Nahe-Städtchens auswirkt: Drei der insgesamt 111 "Traumschleifen" von Perl an der Mosel bis Boppard am Rhein führen durch malerische Idar-Obersteiner Natur- und Landschaftsschutz-Gebiete. Die Hotellerie, die Gastronomie und der Einzelhandel Idar-Obersteins hoffen, von diesem Trend zu profitieren.

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