De Daniel am Gaardedsaun

Juliane Schmidt aus Saarbrücken hörte in einem Straßencafé, dass eine Dame am Nachbartisch sagte: "Gischder waare die ganse Enggelscher widder bei misch kumm." Sie fragt, ob man diesen Satz wörtlich ins Hochdeutsche übersetzen könne, das heißt, ob man sagen könne: "Gestern waren die ganzen Enkelchen wieder bei mich gekommen." Antwort: Laut Duden-Universalwörterbuch gibt es im Hochdeutschen "ganz" im Sinne von "gesamt" nur in der Einzahl: "Die ganze Familie war gekommen." Es gibt im Hochdeutschen aber nicht die Mehrzahl: "Die ganzen Enkelchen waren gekommen." Auch die Wendung "se waare bei misch kumm" kann man nicht wörtlich übersetzen; im Hochdeutschen heißt es, "sie waren zu mir gekommen".

Rainer Freyer möchte wissen, wie es zu den Mundartformen "e anneri, e scheeni, e guddi" gekommen ist. Vielleicht ist diese Form nach dem Dreißigjährigen Krieg von eingewanderten Schweizern zu uns gelangt. Sie kommt in unserer Mundart nur bei der weiblichen Form des Adjektivs mit unpersönlichem Artikel vor, zum Beispiel: "e scheeni Pubb", "e waarmi Schdubb". Wir können nicht sagen "die scheeni Pubb", "die waarmi Schdubb". In der "Baseldeutsch-Grammatik" hingegen gibt es auch "die ängi Gass" (bei uns "die eng Gass"), "dróggeni Fiess" (bei uns "druggene Fies").

Nach diesem Blick in die Grammatik der Mundarten wenden wir uns leichteren Themen zu. Vor mir liegt Heft Nr. 60 der Mundartpost Saar, unter anderem mit schier unglaublichen Begebenheiten aus der guten alten Zeit. So erzählt Willi Träm aus Stennweiler in der Geschichte "Fronleichnam 1960", dass damals die beiden Konfessionen noch weit von einer Ökumene entfernt waren: "Wenn die Kaddolische ihr Prodsession gemachd hann, hann die Evangelische Purrel gefahr, onn wenn am Karfreidaach de hegschde Feierdaach von de Evangelische waar, hann die Kaddolikeweiwer die Wäsch off de Droggel henge gehadd onn de Daniel am Gaardedsaun." (Wenn die Katholischen ihre Prozession gemacht haben, haben die Evangelischen Mist auf die Felder gefahren, und wenn am Karfreitag der höchste Feiertag der Evangelischen war, haben die Katholikenweiber die Wäsche auf der Leine hängen gehabt und den Nachttopf am Gartenzaun.) Weitere Erzählungen und Gedichte haben "Die Verwandtschaft" als Thema. Von Albert Thomalla erfahren wir ihre Bezeichnungen in Oberthal: "Schweerlèit" (Schwiegereltern), "Dochdermann" (Schwiegersohn), "Mitvadder" und "Mitmódder" (Vater und Mutter des Schwiegerkindes) und "Wèisevadder" (Vormund). Ganz früher gab es auch noch "Ædem" (Eidam, Schwiegersohn), "Schnur" (Schwiegertochter), "Ehm" (Onkel) und "Mihm" (Tante).

Das Heft (drei Euro) erhält man bei Agnes Bäcker, Karlstr. 8, 66126 Saarbrücken-Altenkessel, Tel. (0 68 98) 98 41 57

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