Ein Staatsmann mit Narrenkappe

Bexbach · Karneval ist meist bunt, oft schrill – aber auch nachdenklich. Hinter den Kulissen steckt stets viel Arbeit, das weiß keiner besser als Klaus-Ludwig Fess. Der Bexbacher führt seiner Wahl zum Chef-Karnevalisten ein rastloses Leben.

 Er ist der erste Saarländer, der zum Präsidenten des Bundes Deutscher Karneval gewählt wurde: Klaus-Ludwig Fess aus Bexbach. Foto: Rich Serra

Er ist der erste Saarländer, der zum Präsidenten des Bundes Deutscher Karneval gewählt wurde: Klaus-Ludwig Fess aus Bexbach. Foto: Rich Serra

Foto: Rich Serra

Es wirkt würdevoll. Sogar staatsmännisch, wie Klaus-Ludwig Fess, ein fast zwei Meter großer Mann, am dicken Holztisch seines Hauses im beschaulichen Bexbach sitzt. Er trägt einen perfekt sitzenden schwarzen Anzug. Um seinen Hals hängt eine lange goldene Kette, durchbrochen von Dutzenden wappenverzierten Tafeln und einer üppigen Plakette. Erst beim zweiten Blick fällt der schmale weiße, mit bunten Stickereien verzierte Hut auf, den Fess trägt. Eine Narren-Kappe. Schräg wirkt das nicht. Eher stimmig. Der hagere Mann ist schließlich Würdenträger und Narr zugleich. Genauer: der Präsident des Bundes Deutscher Karneval .

Seit 17. September 2016 herrscht Fess, der im richtigen Leben Geschäftsführer eines Controlling-Unternehmens ist und eine Stelle des Lohnsteuerhilfevereins leitet, offiziell über sein närrisches Volk. Das sind über 2,6 Millionen Mitglieder in der ganzen Bundesrepublik. Die Parteien Deutschlands kommen nicht mal auf die Hälfte. Im Innern ähnelt der Bund aber einer Volkspartei. Allein das kleine Saarland hat über 174 Vereine und gut 34 500 Mitglieder. Und das sei noch kein Vergleich zu den richtig großen Regionen. Wie Mainz, Köln, Aachen, Düsseldorf oder die schwäbisch-alemannische Schiene. Sie zählen teilweise offiziell zum immateriellen Kulturerbe Deutschlands. "Schützenswert" sei aber auch die Fastnacht an der Saar oder in Sachsen, sagt Fess.

Der Präsident weiß um die sensiblen Gemüter des Bundes. "Das sind Menschen, die nicht selten ein ganzes Jahr auf die närrische Zeit hinarbeiten. Mit ganz viel Herzblut, und das alles ehrenamtlich." Der Bexbacher wählt seine Worte mit Bedacht. Auch jetzt stoppt er kurz, sagt dann: "Karnevalspräsident ist ein politisches Amt."

Allein sein Weg an die Spitze des Bundes zeigt das eindrucksvoll. Sie erinnert an die Wahl eines Papstes. Nur ohne weißen Rauch, aber mit ähnlich überraschenden Wendungen. "Sie haben mich ausgewählt", deutet Fess recht mysteriös an. Es war April, 2016, in Kitzingen. Der Schauplatz: das für mehrere Millionen Euro sanierte Deutsche Fastnachtmuseum. Dort werden die Schätze des deutschen Karnevalbrauchtums archiviert. Das erweiterte BDK-Präsidium suchte einen geeigneten Nachfolger für Volker Wagner. Der Rheinland-Pfälzer war 37 Jahre im Präsidium. Mit dabei in Kitzingen: Klaus-Ludwig Fess, als BDK-Schatzmeister und Präsident des Verbands saarländischen Karnevalsvereine.

Wie ein Camerlengo hatte Fess die Wochen zuvor tief in den Bund hineingehorcht, geschaut, wer ein geeigneter Kandidat sein könnte. "An mich habe ich dabei nie gedacht." Die anderen in Kitzingen schon. "Immer wieder riefen mich Funktionäre unauffällig zu sich, fragten, ob ich mir nicht das Amt zutrauen würde." Seine Antwort: "Nein." Die anderen ließen nicht locker. Nach einem Geheimtreffen in Bexbach willigte der zurückhaltende Mann doch ein. Bei der Wahl stimmten die Chefs aller 35 Regionalverbände, deren Wappen übrigens die Kette um Fess Hals zieren, für ihn. "Das hat es noch nie gegeben", sagt er stolz. Zudem habe noch nie ein Saarländer an der Spitze des 1953 gegründeten BDK gestanden. Sein Auftrag: "Nicht die Welt erneuern, aber den Bund in ein neues Zeitalter führen, ihn modernisieren."

Eine Mammut-Aufgabe. Fess hat dafür erstmal nur Zeit bis 2018. Dann endet seine Amtszeit. Auch deshalb reist er, rastlos wie Franz Beckenbauer im Vorfeld des deutschen Sommermärchens, durch die Republik . 16 200 Kilometer hat er in den vergangenen Wochen im Auto zurückgelegt, über 70 Veranstaltungen besucht und 230 aus Zeitmangel abgesagt. "Leider." "Ich höre mir dabei die Sorgen der Mitglieder an und erfahre, was ihnen fehlt, was sie sich von mir erhoffen." Das Programm ist stets dicht gedrängt. Beispielsweise vergangene Woche. Da ging es montags nach Mainz. Dann Bonn. Im Anschluss zwei Tage Köln, wieder zurück nach Bonn, Trier und sonntags nach Saarbrücken zum Empfang der Ministerpräsidentin. Ohne seinen Stab würde er das Pensum nie schaffen, sagt Fess. Sein Team: ein Fahrer, eine Sekretärin, ein Redenschreiber und ein wissenschaftlicher Mitarbeiter. Sie achten penibel darauf, dass er Besonderheiten der Regionen im Blick hat. "Fehler kann ich mir bei Karneval nicht erlauben. Da verstehen unsere Mitglieder keinen Spaß. Sie sind stolz auf ihre Tradition."

Doch welche Probleme hat ein Bund, der Millionen engagierter Mitglieder hat? "Die Flüchtlingskrise beispielsweise", sagt Fess. "Wir müssen aufpassen, dass wir unser Brauchtum Karneval erhalten." Die Fastnacht habe einen christlichen Ursprung, wie die lateinischen Wörter "carnis" (Fleisch) und "levare" (wegnehmen) andeuten. Und so ist die Fastnacht eben die letzte Nacht vorm Fasten. Diese wollten Christen noch einmal richtig feiern. Bis heute. Nur: "Karneval ist nicht Saufen und Fressen. Es ist Tanz, Mundart, viel Liedgut - mit sehr großen regionalen Unterschieden", erklärt Fess. Das müsse der Bund auch Migranten vermitteln. Die Integration sei aber "überhaupt kein Problem. Nationalitäten spiele keine Rolle".

Islamistischer Terror hingegen schon. Nicht nur wegen "gewaltiger Sicherheitsbestimmungen". Nein, es gehe vielmehr um die Angst der Karnevalisten vor Attentaten. "Ich habe da eine klare Meinung: Wir müssen gerade jetzt einen Schritt nach vorne machen, und keinen einzigen Schritt vor den radikalen Menschen des IS zurückweichen."

Überzeugungsarbeit leisten muss Fess auch beim Treffen mit der Kanzlerin am 23. Januar und dem parlamentarischen Abend in der Landesvertretung des Saarlandes. "Es wird um Berlin gehen." Die Hauptstadt scheint so etwas wie das Sorgenkind des BDK zu sein. "Der Regierende Bürgermeister wirft uns andauernd Steine in den Weg." Mal dürfen die Umzugswagen nicht lauter sein als ein Rasenmäher. Dann sollen die Karnevalisten die Kosten für die Straßenreinigung tragen. "Das kann nicht sein." Fess will Druck machen. "In einem Wahljahr sollten wir Gehör finden."

Dieses Wochenende ist er erst mal in Köln, unter anderem bei der Inthronisierung des Dreigestirns. Hier muss Fess auch keine Rede halten. "Ich kann es einfach als Ehrengast genießen", freut er sich. Ganz frei hat ein Präsident aber nie. Hinter den Kulissen muss er eifrig netzwerken. Nur: "In Köln fallen einem dabei durchaus mal wildfremde Funktionäre um den Hals", lacht Fess. Karneval ist trotz aller Politik ein Sache fürs Herz.

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