„Der Ruf Sachsens leidet“

Pegida in Dresden, die Übergriffe gegen Flüchtlinge in Heidenau, jetzt Clausnitz und Bautzen: Sachsen hat ein rechtes Problem. Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) kämpft um den Ruf des Freistaates. Im Gespräch mit SZ-Korrespondent Hagen Strauß warnt er davor, die Bürger pauschal zu verurteilen.

Herr Ministerpräsident, warum bekommt Sachsen die Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte nicht in den Griff?

Tillich: Jede Gewalttat, jede fremdenfeindliche Attacke ist eine zu viel. Wir nehmen das nicht hin und gehen mit großer Entschlossenheit gegen die Täter vor. Wir werden solche schändlichen Umtriebe niemals akzeptieren. Denn diese Vorfälle sind auch Anschläge auf unsere Werte und unsere Grundordnung.

Nochmal: Wie will Sachsen das Problem in den Griff bekommen?

Tillich: Gegen den Extremismus setzen wir Prävention, Repression und Strafe. Zahlreiche Anschläge auf Asylunterkünfte sind in den letzten Tagen und Wochen aufgeklärt worden. Nach Brandanschlägen Anfang des Jahres sitzen mehrere mutmaßliche Täter in Untersuchungshaft. Wir wollen den Verfolgungsdruck nun noch weiter erhöhen. Darum werden wir Polizei und Justiz stärken und beispielsweise auch noch stärker als bislang gegen Hetze in sozialen Netzwerken vorgehen.

Wie groß ist der Schaden für Sachsens Wirtschaft und den Tourismus?

Tillich: Der Ruf Sachsens leidet. Ich bin mit Wirtschaft und Wissenschaft im Gespräch und bin für die deutlichen Aktionen gerade von Forschungs- und Kultureinrichtungen des Landes dankbar. Denn es wird uns Kraft und Zeit kosten, den guten Ruf als weltoffenes und inspirierendes Land wieder komplett herzustellen. Aber nur so haben wir eine gute Zukunft.

Sehen das die meisten Sachsen genauso?

Tillich: Die allermeisten Sachsen wissen das und handeln danach. Sie engagieren sich wie überall in Deutschland, um Flüchtlingen und Asylbewerbern zu helfen. Deshalb ist es nicht richtig, pauschal alle Menschen in Sachsen zu verurteilen. Denn die weit überwiegende Mehrheit der Sachsen ist anständig und genauso wütend wie ich über Anfeindungen und Gewalt gegen Flüchtlinge und Asylbewerber.

Mit welcher Strategie wollen Sie die Übergriffe jetzt eindämmen?

Tillich: Wir brauchen einen starken Staat. Wir werden hier nachlegen und noch entschiedener gegen Rechtsextremismus vorgehen. Wir werden zugleich Bildungsarbeit und Demokratie-Erziehung weiter stärken. Der Staat allein kann es allerdings nicht richten. Gefordert ist die ganze Gesellschaft. Es kommt darauf an, dass alle Demokraten zusammenstehen.

Muss die Kanzlerin ihre Flüchtlingspolitik korrigieren?

Tillich: Die Suche nach einer gemeinsamen europäischen Lösung ist richtig, aber uns läuft die Zeit davon. Für uns als Bundesland ist es nach wie vor ganz entscheidend, dass die Zahl der Flüchtlinge , die zu uns kommen, geringer wird und dass die noch unbearbeiteten Asylanträge rasch abgearbeitet werden, damit schnell klar ist, wer in Deutschland bleiben kann und wer nicht. Es muss zu einer tatsächlichen Beschleunigung der Asylverfahren kommen.

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HintergrundEin totes Ferkel haben Unbekannte auf dem Baugrundstück einer künftigen Moschee in Leipzig abgelegt. Das Tier sei am Vortag auf dem noch unwegsamen Gelände im Norden der Stadt zwischen Gestrüpp entdeckt worden, sagte gestern ein Polizeisprecher. Auf dem Ferkel stand mit roter Farbe "Mutti Merkel" geschrieben. Der Staatsschutz ermittelt nun wegen Beleidigung der Bundeskanzlerin. Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD ) verurteilte die Tat. "Eine ganze Religionsgemeinschaft zu beleidigen, zu verunglimpfen und zu schmähen, ist kleingeistig und verabscheuungswürdig", teilte Jung mit. epd

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