Der Umsteige-König aus Wien

Wien · Andreas W. Dick hat ein kurioses Hobby: Er fährt komplette U-Bahn-Netze ab – und zwar so schnell wie keiner zuvor.

 Die U-Bahn kommt und Andreas W. Dick steht bereit. Kein Wunder: Der Weltrekord-Fahrer kennt die Pläne seiner Wiener Heimatlinien im Schlaf. Foto: dpa

Die U-Bahn kommt und Andreas W. Dick steht bereit. Kein Wunder: Der Weltrekord-Fahrer kennt die Pläne seiner Wiener Heimatlinien im Schlaf. Foto: dpa

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(dpa) Angefangen hat alles mit seinem Sohn. Der hatte ein Buch der Rekorde gelesen und den Vater gefragt, was für einen Rekord er denn halte. Die Antwort: Noch keinen. Doch das wollte Andreas W. Dick ändern. Passenderweise wurde zu dieser Zeit die Wiener U-Bahn wegen der Fußball-Europameisterschaft 2008 erweitert. "Das neue Netz war noch niemand komplett abgefahren", erzählt der 48-jährige Österreicher von seiner Rekordsuche. Vier Stunden und 21 Minuten hat der Motorjournalist gebraucht. "Das war eine angenehme Zeit. Ich bin ja nicht alleine unterwegs", sagt er. Dick sucht sich immer Kollegen, die sich vor Ort auskennen, als Begleiter.

Nach der Wiener Bahn ließ Dick weitere U-Bahn- und Tram-Netze folgen - unter anderem alle österreichischen Straßenbahnen in Graz, Linz, Innsbruck und Gmunden. Auch in Stuttgart, München und Berlin fuhr er das gesamte Netz ab. "In Berlin fährt die U-Bahn bis weit ins Grüne, das ist sehr nett", sagt Dick. "Und das Publikum ändert sich, ob ein Viertel multikulti, studentisch oder bürgerlich ist." Zuletzt war er in Bremen unterwegs. In der Hansestadt war er vom Medien-Trubel überrascht: Sechs Fotografen und ein Kamerateam haben ihn begleitet. "Mein Kollege hat gesagt, das wäre, als wenn Barack Obama in der Stadt wäre."

Doch wieso ist jemand so verrückt danach, viele Stunden am Stück in U-Bahnen zu verbringen? "Es macht Spaß", lautet Dicks simple Antwort. Er arbeite sich gerne in die Umsteigestruktur ein und mache sich genaue Pläne, wann er wo die Linien wechselt. Außerdem gefielen ihm die Gespräche mit Kollegen und den Medien. "Natürlich steckt da auch ein bisschen Ehrgeiz drin."

So weit wie ein anderer U-Bahn-Rekordhalter wolle er aber nicht gehen: Ein Mathematiker hatte Dicks Rekordzeit in München mit Hilfe von Berechnungen unterboten. Bei einem gemeinsamen Versuch der Dauerfahrer in Wien verletzte sich der Herausforderer aber am Ellenbogen: "Beim Umsteigen rennt er eine Treppe hinunter, die letzten Stufen springt er - und stürzt", erzählt Dick. Der Mathematiker musste in die Klinik, die Fahrt wurde abgebrochen. "Das ist nicht mein Ziel. Ich will weder mich noch jemand anderen gefährden." Neue Pläne stehen dennoch an: So will Dick bald die Straßenbahn in Straßburg von der ersten bis zur letzten Station abfahren. Dort wird bis Ende Mai eine Linie bis nach Deutschland verlängert. "Das wäre mein erstes internationales Projekt." Solingen im Bergischen Land findet er besonders attraktiv, weil die Stadt das längste Oberleitungs-Bus-Netz Deutschlands hat. "Und vielleicht können wir es mit der Schwebebahn in Wuppertal verbinden. Das wären zwei seltene Verkehrssysteme auf einen Streich."

Abbrechen musste Dick nur einen Weltrekordversuch. Vor zwei Jahren wollte er die Wiener Straßenbahn abfahren. Das Netz ist mit 177 Kilometern Länge das fünftgrößte der Welt. In einem Sonderwagen sollte Dick ohne Umsteigen alle 1071 Stationen abfahren. Der Betreiber hatte dafür ein ganzes Event organisiert, Puppentheater für Kinder und After-Work-Party in der Tram sowie Live-Verfolgung im Netz inklusive. Aber nach fünf Stunden war die Fahrt, für die 16 Stunden eingeplant waren, vorbei: Ein technischer Defekt an der Straßenbahn zwang die Veranstalter, den Weltrekordversuch abzubrechen. Deshalb bleibt seine Fahrt durch Zürich im vergangenen Jahr mit zwölf Stunden und 20 Minuten die längste. "Das letzte Viertel war zäh. Das geht an die Substanz." Ins Guiness-Buch hat er es bisher nicht geschafft. Dieser Spaß sei ihm wegen der Antragsgebühr nun einfach zu teuer.

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