Jost: Brüsseler Trägheit bremst Saar-Projekte: Bauern und ländliche Kulturinitiativen warten auf Fördergelder

Saarbrücken · Die Entwicklung des ländlichen Raums stockt derzeit. Schuld daran ist die Brüsseler Bürokratie, sagt Umweltminister Reinhold Jost. Sie hätte die Gelder für die laufende Förderperiode längst freigeben müssen.

 Eines der Projekte, das vom EU-Strukturfonds Eler (Entwicklung des ländlichen Raums) gefördert werden soll, ist die Schaukäserei Hirztaler in Illingen-Hirzweiler. Foto: Hirztaler

Eines der Projekte, das vom EU-Strukturfonds Eler (Entwicklung des ländlichen Raums) gefördert werden soll, ist die Schaukäserei Hirztaler in Illingen-Hirzweiler. Foto: Hirztaler

Foto: Hirztaler

Saar-Umweltminister Reinhold Jost (SPD ) macht derzeit eine etwas unangenehme Erfahrung. "Ich bekomme Prügel wegen einer Sache, für die ich nichts kann." Die Rede ist vom Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (Eler). Insgesamt könnten für den Zeitraum 2014 bis 2020 knapp 54 Millionen Euro an Eler-Mittel in saarländische Projekte fließen. Rund 28,6 Millionen steuert die EU bei. Etwa 21 Millionen Euro kommen aus der sogenannten Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK), die sich aus Bundes- und Landesmitteln speist. 4,1 Millionen Euro stammen aus der Landeskasse.

Weil das Geld in Brüssel zwar rechtzeitig beantragt wurde, aber noch nicht bewilligt ist, "stehen zahlreiche in der vorangegangenen Förderperiode gestartete Projekte auf der Kippe", sagt Jost. Denn die GAK- und Landesmittel "können ohne die EU-Gelder nicht ausgezahlt werden". Die bürokratischen Lähmungserscheinungen in Brüssel treffen sowohl die Bauern als auch zahlreiche Initiativen, denen viel daran gelegen ist, dass sich in den Dörfern etwas tut. Für die Bauern ist das Programm "Leader" vorgesehen, in das bis 2020 rund acht Millionen Euro der Eler-Mittel fließen (sechs Millionen Euro aus Brüssel und zwei Millionen Euro Landesmittel). "Mit diesem Geld wollen die Landwirte beispielsweise neue Ställe bauen", sagt Hans Lauer, Geschäftsführer des Bauernverbands Saar . "Ohne die Kofinanzierung ist das nicht möglich." Dabei sei Eile geboten, "weil die Landwirte auch die derzeit niedrigen Kreditzinsen einkalkulieren". Gefördert wird über Eler außerdem die Umstellung auf ökologischen Landbau - und zwar mit einer Anschubfinanzierung von 252 Euro pro Hektar. "Wenn dieses Geld nicht fließt, haben die Bauern erhebliche Probleme", heißt es im Ministerium.

Besonders gekniffen sind aber drei Landesarbeitsgemeinschaften. Sie haben zahlreiche Projekte angeschoben, die jetzt auf der Kippe stehen. "Unsere Geschäftsstelle können wir nicht mehr lange halten", schimpft Werner Feldkamp von der Kulturlandschafts-Initiative St. Wendeler Land (Kulani). 35 Projekte betreibt Kulani derzeit. Dazu gehören der Aufbau der Dorf- und Schaukäserei in Hirzweiler, aber auch die Bewirtschaftung der Bosener Mühle. Ähnlich ergeht es auch der Landesarbeitsgemeinschaft Warndt mit dem Großrosselner Bürgermeister Jörg Dreistadt an der Spitze. 69 Projekte haben sich die Mitstreiter vorgenommen, unter anderem eine neue Imagebroschüre für die Region Warndt. Außerdem muss sie einen "Landgewinn" stemmen, denn künftig betreut die Warndt-Initiative auch die Gemeinden Wallerfangen, Rehlingen-Siersburg und Wadgassen. "Die Leute dort haben eine Menge Ideen", weiß Dreistadt jetzt schon. Die dritte Arbeitsgemeinschaft ist im Biosphärenreservat Bliesgau zu Hause, und eine vierte bildet sich derzeit im Kreis Merzig-Wadern.

"Das Ministerium hat seine Arbeit gemacht", sagt Jost. Die Anträge seien 2014 rechtzeitig rausgegangen, die Antwort mit Nachfragen aber später als erwartet zurückgekommen, "so dass unnötig Zeit verloren ging". Die Brüsseler Behörde habe 180 Fragen geschickt, "die unsere Leute pünktlich beantwortet haben". Dass 14 von 16 Bundesländern die gleichen Probleme mit der EU-Bürokratie haben, ist für Jost kein Trost. Bei einem Treffen der Länder-Landwirtschaftsminister mit dem neuen EU-Agrarkommissar Phil Hogan hat er seinem Ärger wohl kräftig Luft gemacht. "Der weiß jetzt, wo das Saarland liegt."

Meinung:

Es werden Strukturen zerstört

Von SZ-RedakteurLothar Warscheid

Dass die Brüsseler EU-Bürokraten pingelig sein müssen, ist zu verstehen. Denn es ist ja unser aller Steuergeld, das sie verwalten. Außerdem wurde die Verwaltung der EU-Kommssion das eine oder andere Mal kräftig über den Tisch gezogen. Das ist bei dem Eler-Programm, das den ländlichen Raum fördern soll, gewiss nicht der Fall. Es handelt sich häufig um Vorhaben, die schon angelaufen sind und die Bundes- sowie Landesverwaltungen bereits geprüft haben. Eine Verzögerung gefährdet nicht nur Projekte, sondern zerstört auch Strukturen. Daher ist es gut, dass das Land den Brüsseler Bürokraten Dampf macht.

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