Freier Handel mit Kanada ist noch fern

Berlin · Die Bundesregierung will die EU-Kommission beim Freihandelsabkommen Ceta mit Kanada ausbremsen. Möglicherweise scheitert das Abkommen auch noch.

Ursprünglich sollte die feierliche Unterzeichnung eines Freihandelsabkommens Ende der Woche in Ottawa der Höhepunkt des EU-Kanada-Gipfels werden. Doch werden Kanadas Premier Stephen Harper und EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso das fertig ausgehandelte Werk mit dem Kürzel Ceta noch nicht absegnen. Grund: Ein wichtiges "Detail" ist ungeklärt: Wer ist eigentlich Vertragspartner?

Nach Auffassung der Brüsseler Kommission schließt sie und nur sie das Abkommen für alle Mitgliedsländer ab. Nach Auffassung der 28 EU-Mitglieder aber sind auch sie eigenständige Vertragspartner, weil ihre nationalen Rechte berührt sind. Es handele sich um ein sogenanntes gemischtes Abkommen, so die Rechtsauffassung der Staaten. Demzufolge müssen alle 28 nationalen Parlamente zustimmen, in Deutschland der Bundestag. Für die Bundesregierung präsentierte das Wirtschaftsministerium von Sigmar Gabriel (SPD ) gestern ein Gutachten , das diese Position rechtlich noch einmal untermauert. Ceta regele auch den Investitionsschutz im Bereich von Geldanlagen, und der sei nationale Angelegenheit. Damit sei automatisch das ganze 1500 Seiten starke Abkommen Ländersache. "So wie schon ein Tropfen Pastis das ganze Glas Wasser trübt", erläuterte der Bielefelder Jurist Franz C. Mayer seine Position etwas lyrisch.

Eine Verzögerung von zwei Jahren ist durch den komplizierten Ratifizierungsprozess nun wahrscheinlich und das Risiko hoch. Denn scheitert Ceta, über das fünf Jahre lang geredet wurde, nur in einem Land, ist das Werk überall gescheitert. Angesichts der wachsenden Kritik wird das ein heißer Ritt. Zumal Ceta zunehmend in den Streit um das wirtschaftlich weit bedeutendere Freihandelsabkommen TTIP mit den USA gerät, über das die Gespräche gerade erst begonnen haben. Dafür gilt der Vertrag mit den Kanadiern als Blaupause. Am Samstag beschloss Gabriels SPD bei einem Parteikonvent, dass TTIP an zahlreiche Bedingungen geknüpft sein soll.

Vertreter der Parteilinken forderten intern bereits, auch Ceta auf Bedingungen hin noch einmal zu prüfen. Ihre Sorge: dass Umwelt- und Arbeitsstandards über den Umweg solcher Abkommen ausgehebelt werden und die nationale Gesetzgebung durchkreuzt wird weil Anleger Investitionsschutz genießen und sie ihre Interessen vor internationalen Schiedsgerichten durchsetzen könnten. Abschreckendes Beispiel ist vielen die auf Entschädigung zielende Klage des schwedischen Konzerns Vattenfall bei einem internationalen Schiedsgericht in Washington gegen den deutschen Atomausstieg.

Bei Ceta zumindest sieht Gabriel das Entschädigungsproblem nicht. Er präsentierte ein weiteres Gutachten , wonach die dort eingeräumten Investitionsschutz- und Schiedsregelungen nur in "zu vernachlässigender" Weise an wenigen Punkten über EU-Recht hinausgingen, zumeist aber darunter blieben, ganz besonders unter deutschem Recht. Kein Einfallstor also für Klagen, obwohl beide Seiten Kröten schlucken müssen. So dürfen kanadische Hersteller zwar kein "bayerisches Bier" verkaufen, haben aber freie Hand, sobald sie das Produkt in Englisch etwa als "Munich Beer" anbieten. Andererseits will Gabriel das Abkommen noch an einem Punkt nachverhandeln, der eher kanadischen Finanzinvestoren wehtun wird: Sie sollen keine Entschädigungsansprüche haben, wenn in Euro-Ländern Banken pleitegehen oder ein Schuldenschnitt unter Beteiligung der Anleger ge macht wird.

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