Die deutsche Party geht weiter

Robust und kerngesund, anders kann man den Zustand der deutschen Wirtschaft nicht beschreiben. Das Land ist stärker aus den Krisen der vergangenen Jahren herausgekommen, als es in sie hineingegangen ist.

Genau wie es Angela Merkel versprochen hat. Die Party geht weiter nach der kleinen Wachstumsdelle der Jahre 2012 und 2013. Die Gehälter werden 2015 noch kräftiger steigen, die Preise stagnieren oder sogar sinken. Das bedeutet mehr Konsum. Der Export brummt. Das bedeutet mehr Jobs. Beschäftigungsrekord, der achte in Folge. Vier Millionen Menschen mehr in Arbeit als noch vor zwölf Jahren. Selbst die Bevölkerungszahl wächst wieder, Deutschland ist attraktiv. Die industrielle Basis ist gesund, der Immobilienmarkt bis auf einige lokale Ausnahmen stabil, der Arbeitsmarkt hinreichend flexibel, der Finanzsektor halbwegs in Ordnung, der Staatshaushalt ausgeglichen.

Dazu kommt die außerordentlich große politische Stabilität. Es sind gute Jahre für die Nation, ganz ohne Frage. Und dank des Mindestlohns sowie kräftiger Rentensteigerungen wird auch die Zahl jener, die bisher komplett abgehängt waren, etwas abnehmen.

Nur beschleicht einen zur gleichen Zeit das unbestimmte Gefühl, dass dies alles ein sehr wackeliges Glück ist. Dass es abrupt sein Ende finden könnte, denn um Deutschland herum werden die Probleme regelrecht aufeinander gestapelt. Wir sind keine Insel. Man stelle sich nur vor, alle Probleme spitzten sich gleichzeitig oder kurz nacheinander zu. Da ist die riskante Gelddruckpolitik der EZB. Wann schlägt das um in Inflation? Die Schuldenproblematik Griechenlands, Italiens und Spaniens ist ungelöst, über den Umgang mit ihr steht Europa vor einer Zerreißprobe. Was ist, wenn der Kontinent politisch auseinanderbricht? Dazu kommt die Kontroverse mit Russland. Der kalte Handelskrieg mit Moskau könnte schnell viel heißer werden. Nicht zu reden von den globalen Faktoren. Wo bleiben wir mit unserer Exportabhängigkeit, wenn nicht nur Teilmärkte in Europa und Russland wegfallen, sondern aufgrund schwächeren Wachstums auch China? Haben wir genug Fachkräfte, genug innere Dynamik, genug junge Leute, um auch in der Zukunft so leistungsfähig zu sein?

Einer geht noch, einer geht noch rein, rufen sie auf Partys zu fortgeschrittener Stunde und jetzt auch schon wieder im Bundestag. Kindergelderhöhungen und Steuersenkungen werden gefordert, nachdem es schon die üppigen Rentengeschenke der großen Koalition gab. Vom Reform-Elan früherer Jahre hingegen keine Spur. Klar, einer geht immer bei solchen Wachstums- und Haushaltszahlen. Aber die Gefahren von außen lassen es dringend geraten erscheinen, auf dieser deutschen Fete schön nüchtern zu bleiben.

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