Aus Erfahrung lernen

Die Frage stellt sich durchaus, ob die Bundesregierung das Pferd nicht von hinten aufzäumt. Sich erst an einem Krieg zu beteiligen, um dann zu (er)klären, welcher strategische Weg und welche politischen Ziele verfolgt werden sollen, erweckt jedenfalls den Anschein, dass die komplexen Folgen eines wohl jahrelangen Militäreinsatzes in Syrien noch gar nicht bedacht wurden.

Zumal in einem wichtigen Punkt die Haltung der Regierung nicht klar ist, geschweige denn abgestimmt: ob mit dem Schlächter Assad zur Not gemeinsame Sache gemacht werden sollte, um den Islamischen Staat (IS) zu besiegen. Da war zuletzt Unterschiedliches aus der Koalition zu vernehmen. Die einen sagen so, die anderen so.

Mit dem Eindämmen oder Ausschalten des IS, wie Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen das militärische Ziel beschreibt, ist es ja nicht getan. Das belegen vor allem zwei Beispiele: Da wäre erstens der Bundeswehreinsatz in Afghanistan nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 zu nennen. Zwar konnte die Truppe zur Befriedung und zum Wiederaufbau des Landes nach der Taliban-Herrschaft beitragen. Aber mit dem Abzug kehrte das große Chaos zurück. Was nicht für nachhaltige Resultate von Militäreinsätzen spricht. Zum anderen sei an den Irak-Krieg erinnert. Mit ihrer Intervention durch die "Koalition der Willigen" stürzten die USA zwar seinerzeit den damaligen Machthaber Saddam Hussein . Doch einen tragfähigen Plan für die Zeit danach gab es nie. Deswegen konnte die Terrormiliz IS überhaupt erst entstehen und sich ausbreiten; deswegen zerfielen nach und nach ganze Staaten in der Region. Daran trägt der Westen einen großen Teil der Schuld. Bomben allein bringen eben keine dauerhaften Lösungen. Deshalb möchte man mit Blick auf Syrien dazu gern etwas mehr hören von der Bundesregierung.

Die Sorgen der Bürger vor einem höheren Anschlagsrisiko sind überdies berechtigt. Gleichwohl ist Deutschland ohnehin ein Ziel der Terroristen. Und welche Alternative gäbe es denn zu dem Militäreinsatz, den das Kabinett gestern beschlossen hat? Sich heraushalten funktioniert nicht mehr in einer Welt, in der sich auch der Terror, der religiöse Fanatismus globalisiert hat. Rücksichten nehmen diese Verbrecher nicht. Die anderen die Schmutzarbeit machen zu lassen, ohne eigene Kapazitäten beizusteuern - das geht ernsthaft auch nicht, wenn man zu Europas einflussreichsten und wirtschaftsstärksten Nationen gehört.

Jene, die eine Teilnahme der Bundeswehr am Kampf gegen den IS gänzlich ablehnen, müssen also sagen, wie die Bedrohung anders eingedämmt werden soll. Und zwar über die Idee hinausgehend, die Einnahmequellen des IS trockenzulegen. Mit Diplomatie kommt man der Mörderbande jedenfalls nicht bei. Diese Fanatiker wollen töten, nicht reden.

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