Dolmetschen für Flüchtlinge – Laien oder Profis?

Berlin · Wenn Flüchtlinge kurz nach ihrer Ankunft mit Behörden, einem Arzt oder Vermieter sprechen wollen, dann funktioniert das selten ohne Dolmetscher. Doch wie viel Professionalität braucht es dabei?

"Russisch, arabisch, persisch!" Eine Mitarbeiterin ruft die Sprachen in den Raum, die gerade gebraucht werden. Der passende Dolmetscher springt auf und läuft quer durch das Hochhaus in Berlin-Moabit - dorthin, wo das Anliegen eines Flüchtlings bearbeitet wird und die Sprachbarriere gerade unüberwindbar ist. So erlebt es die Kunststudentin Natalia Ali immer wieder. Die 29-Jährige dolmetscht für das Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) - die erste Anlaufstelle für Flüchtlinge in der Hauptstadt. Wie sie sind viele der dort tätigen gut 100 Sprachmittler keine Profis. Aus Sicht des Bundesverbandes der Dolmetscher und Übersetzer (BDÜ) ist das eine kritische Entwicklung: Ein Fehler könne für Flüchtlinge fatale Folgen haben. Für Profis aber fehlt den Kommunen das Geld.

Bevor Ali zum Berliner Landesamt kam, dolmetschte sie schon bei anderen Beratungsstellen Arabisch und Russisch. Die junge Frau aus Syrien begleitete Menschen zum Jobcenter, Arzt oder zur Wohnungsbesichtigung. Es war ihre Vorbereitung auf den Job. Eine weitere Einführung gab es nicht, lediglich eine Begleitung durch erfahrene Kollegen. Das beobachtet der Übersetzerbund mit Sorge: Ohne Vor- und Nachbereitung für Flüchtlinge zu dolmetschen, könne Laien überfordern. Gerade wenn es um medizinische und juristische Fragen gehe, sollten nur Profis eingesetzt werden.

Das Gefühl der Überforderung kennt Ali. Für eine Beratungsstelle, die Privatwohnungen an Asylbewerber vermittelt, muss sie den Flüchtlingen häufig erklären, was in den Mietverträgen steht. Selbst für Muttersprachler dürfte das eine Herausforderung sein. Ali lernte die korrekte Übersetzung der Fachbegriffe, merkte aber: Häufig kann ihr Gegenüber damit nichts anfangen. Statt einen Fachbegriff korrekt zu übertragen, sei es dann viel wichtiger, den Leuten zu erklären, worum es eigentlich gehe. Spricht sie etwa vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge , sagt Ali, "das ist der Ort, wo Ihnen Fingerabdrücke genommen werden". Erst dann verstünden die Leute, was gemeint ist.

Genau deshalb setze das Lageso in Berlin auf Sprachmittler, argumentiert die Behörde. "Dolmetscher übersetzen wortgenau." Gebraucht würden aber Leute, die auch kulturelle Unterschiede vermittelten. Ab und zu braucht es das tatsächlich, erzählt Ali. Die meisten Landsleute, die sie bei ihrem Job trifft, freuten sich einfach, mit ihr ein bisschen über die Heimat reden zu können. Von der Kultur des fremden Landes haben in der Regel aber auch professionelle Dolmetscher eine Ahnung. Ihr Nachteil für die Behörden ist vor allem ihr Preis: Studenten wie Ali bekommen in Berlin 13 Euro die Stunde. Nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz, das nach dem Willen des BDÜ auch beim Einsatz professioneller Dolmetscher bei Behörden gelten soll, werden ab 70 Euro die Stunde fällig. Hinzu kommen Auslagen wie Fahrtkosten.

Geld fehlt bei der Bewältigung der steigenden Zahl an Flüchtlingen aber ohnehin schon. Eine Lösung könnte das Videodolmetschen sein, sagt BDÜ-Vizepräsidentin Monika Eingrieber. Beim Berliner Lageso ist aber in den Beratungsräumen meist die Hölle los, wie Ali sagt. Ein Gespräch in normaler Lautstärke ist nicht möglich. Wer gehört werden will, muss die Stimme erheben. Videokonferenzen muten da noch ziemlich futuristisch an.

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