Der Feuerwehrmann will endlich wieder löschen

Washington · Eigentlich wollte sich John Kerry zurückhalten. Als die Hamas Raketen auf israelische Städte abzufeuern begann und Israel den Gazastreifen attackierte, begnügte sich der amerikanische Außenminister quasi mit der Zuschauerrolle.

Es passte zur neuen Selbstbeschränkung in Washington : Einmal mehr gedachte Barack Obama zu signalisieren, dass die Vereinigten Staaten nur noch höchst selten Feuerwehr spielen wollen, wenn es irgendwo brennt. Intensivere Löscharbeiten erwarten sie von anderen. Statt selbst zwischen Israelis und Palästinensern zu vermitteln, schaltete das Weiße Haus also Ägypten als Makler ein. Ein eher halbherziger Versuch, wusste man doch, dass Präsident Abdel Fattah al-Sisi nicht annähernd den Einfluss auf die radikalislamistische Hamas hat wie sein Vorgänger, der von der Armee weggeputschte Muslimbruder Mohammed Mursi . Der Plan scheiterte - weshalb nun Kerry wieder aktiv werden darf.

Wie sehr ihn die erzwungene Tatenlosigkeit frustriert hatte, zeigte eine Mikrofonpanne in einer Interview-Pause beim US-Sender Fox News. "Eine irre punktgenaue Operation", so unverhohlen sarkastisch kommentierte Kerry den israelischen Militäreinsatz gegenüber einem Vertrauten. Was er nicht wusste: Das Mikro an seinem Jackett nahm das Gespräch auf. Fox sendete später alles, auch diese Einschätzung Kerrys: "Wir müssen hin. Ich glaube, wir sollten heute Abend fliegen. Ich denke, dass es verrückt ist, einfach dazusitzen."

Der Ex-Senator aus Boston und der Nahe Osten - es ist ein Kapitel, das an den sprichwörtlichen Sisyphos denken lässt, der den Stein immer wieder den Berg hinaufrollt. Neun Monate lang biss sich Kerry die Zähne aus am Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern. Mit wahrer Engelsgeduld pendelte er zwischen Jerusalem und Ramallah, um beiden Seiten Kompromisse abzuringen, ehe die Gespräche Ende April ergebnislos abgebrochen wurden. Mosche Yaalon, der konservative israelische Verteidigungsminister, verhöhnte den Amerikaner deshalb als naiven Träumer: "Das Einzige, was uns retten kann, ist, dass John Kerry seinen Nobelpreis bekommt und uns endlich in Ruhe lässt." Martin Indyk, einst US-Botschafter in Israel , zeigte sich dagegen beeindruckt von Kerrys Optimismus: "Seine Begeisterung hat mich derart mitgerissen, dass ich beschloss, meine Skepsis pausieren zu lassen." Er wurde vom Außenministerium reaktiviert, um als Sondergesandter die kniffligen Details auszuhandeln.

Auch Benjamin Netanjahu baute - jedenfalls vorübergehend - auf den US-Minister. Israels Ministerpräsident habe gespürt, dass Kerry eine emotionale Nähe mit dem jüdischen Staat verbinde, schreibt das Magazin "New Republic" in einer minutiösen Chronik des Schlichtungsversuchs. Der Amerikaner habe Ne-tanjahu in einer ruhigen Stunde nahegelegt, den Streit einmal mit den Augen eines Palästinensers zu sehen - dies fördere das Verständnis. "Als ich in Vietnam gekämpft habe, habe ich die Gesichter der Einheimischen studiert, die Blicke, mit denen sie uns bedachten", zitiert das Blatt den 70-Jährigen. "Ich vergesse das nie. Es ließ keinen Zweifel daran, dass wir die Dinge auf grundsätzlich verschiedene Art betrachteten." Als regelmäßiger Besucher in Nahost habe er dann gespürt, wie sich im Lauf der Jahre bei den Palästinensern der Frust aufstaute. Es gehe nicht um richtig oder falsch, so Kerry: "Nichts kann gelöst werden, wenn Sie es nicht sehen können, wie sie es sehen."

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