Einigung im Gasstreit in Sicht

Brüssel · Die Verhandlungen im Gasstreit zwischen der Ukraine und Russland haben laut EU-Kommissar Günther Oettinger Fortschritte gebracht. Nächste Woche könnte es zur Einigung kommen.

Es war nicht der große Durchbruch, auf den Günther Oettinger gehofft hatte. Aber er konnte die dringlich gewünschte Einigung wenigstens ankündigen: "Ich gehe davon aus, dass wir in der kommenden Woche die Vereinbarung unterzeichnen werden", sagte der EU-Energiekommissar gestern am späten Abend in Brüssel .

Fast zehn Stunden lang hatten die Vertreter Moskaus und Kiews miteinander gerungen, um den Knoten aus unbezahlten Rechnungen und unklaren Liefermengen des kostbaren Brennstoffes zu entwirren. "Winterpaket" nannte Oettinger das, was nun auf dem Tisch liegt und morgen von den EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfeltreffen gutheißen werden dürfte. Denn es sichert nicht nur der Ukraine Gas im Winter, sondern auch der EU. Die wäre nämlich am Ende der Pipeline zum Opfer der russischen Politik mit dem kostbaren Rohstoff geworden. Trotz voller Speicher hatten die EU-Experten auch der Bundesrepublik höchstens sechs Monate ohne Nachschub gegeben. Der Streit, für den sich nun ein Weg zur Lösung abzeichnet, dreht sich vor allem um rund 3,5 Milliarden Euro, die Russland von Kiew für frühere Lieferungen verlangt. Kiew weigert sichzu zahlen, weil man in Moskau nach dem Sturz des Putin treuen Präsidenten Viktor Janukowitsch die Kosten für 1000 Kubikmeter Gas von 267 auf 485 Dollar angehoben hatte. Inzwischen war man wieder auf 385 Dollar heruntergegangen. Die Summe gilt nun als vereinbart. Im Gegenzug verpflichtet sich die Ukraine bis Jahresende 1,5 Milliarden Dollar der ausstehenden Gelder zu begleichen. Zudem will Russland Kiew nur noch gegen Vorkasse beliefern.

Bereits zuvor hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel klar gemacht, dass die EU weiterhin nur als Vermittler zur Verfügung stehe und "keinesfalls" für ukrainische Schulden eintreten werde. Am Abend bekräftigte auch Oettinger, dass die Gemeinschaft keine "Zahlungsgarantie" für Lieferungen nach Kiew übernehmen werde. Die Ukraine könne aber das Gas aus den über zehn Milliarden Euro bezahlen, die ihr von der EU im Rahmen diverser Vereinbarungen zur Verfügung gestellt wurden. Derweil mehren sich in Brüssel auch Stimmen, einen Kurswechsel gegenüber Moskau fordern. Der designierte Kommissar für die Energieunion, der Slowake Maro Sefèoviè, schlug vor, dass die 28 EU-Mitgliedstaaten künftig eine Art "Einkaufs-Union" bilden sollten, um gegenüber dem Staatskonzern Gazprom stärker auftreten zu können.

Meinung:

Einigung im Interesse Europas

Von SZ-KorrespondentDetlef Drewes

Der Eindruck, die EU vermittele im Gas-Streit aus uneigennützigen Motiven, ist falsch. Auch wenn sich Moskau gegenüber dem Westen bisher stets als verlässlicher Geschäftspartner zeigte, waren die Zweifel, ob am Ende wirklich die vereinbarten Lieferungen während des Winters im Westen ankommen würden, groß. Zwar gibt es volle Speicher, doch wenn sich die Union, wie beabsichtigt, auf Solidarität verständigt, nützt das nur bedingt. Dann wird ausgetauscht und mitversorgt. Die EU hat gegenüber den Ost-Mitgliedern, die zu 100 Prozent von Moskau abhängig sind, Beistandserklärungen abgegeben. Eine Einigung, wie sie sich nun abzeichnet, würde also auch den Europäern die Angst vor dem Winter nehmen.

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