Reich der Mitte wirbt um Ost- und Südosteuropa

Belgrad · Chinas Regierungschef Li Keqiang bittet in Belgrad 16 Amtskollegen aus Ost- und Südosteuropa zur Audienz. Da er Geld für Investitionen mitbringt, stehen die Länder beim Projekt „Neue Seidenstraße“ Schlange.

China will sich in Ost- und Südosteuropa wirtschaftlich noch stärker engagieren. Das hat der chinesische Regierungschef Li Keqiang gestern in Belgrad vor seinen Amtskollegen aus 16 Ländern der Region klargemacht. Und wie als Beweis, zu welcher Kraftanstrengung der asiatische Riese in der Region fähig ist, wurde pünktlich zum Beginn des zweitägigen Wirtschaftsgipfels die von China finanzierte und gebaute Donaubrücke in Belgrad eingeweiht. Investitionssumme: 187 Millionen Euro.

Als Teil der neuen Strategie Chinas, sich im Ausland stärker zu engagieren und neue Märkte zu erschließen, stünden rund zehn Milliarden Dollar als Kreditlinie für die Region bereit, verwies Li Keqiang vorab in einem Interview mit der Zeitung "Politika" auf den prallen Geldbeutel Pekings. Ziel sei "der Aufbau von Express-Linien zwischen China und Europa zu Wasser und zu Land, die auf dem (griechischen) Hafen Piräus und der Eisenbahnstrecke Belgrad-Budapest basieren", kündigte er die Investitionsrichtung an. Daneben können die in Belgrad vertretenen Staaten auch auf Finanzmittel aus dem sogenannten "Seidenstraßen-Fonds" hoffen. Zwar sollen damit vornehmlich Projekte in Asien unterstützt werden. Doch könnte zum kleinen Teil auch Osteuropa profitieren. Das große Fernziel lautet für die zweitgrößte Wirtschaftsmacht eine Verbindung nach Europa herzustellen, die unter das Motto "Neue Seidenstraße" gestellt wurde. Daher stehen Häfen, Straßen, Eisenbahnen, die Telekommunikation oder Kraftwerke im Mittelpunkt des Interesses. Bei allen Projekten stellen chinesische Banken Kredite zur Verfügung, die von chinesischen Baufirmen abgerufen werden. Heimische Unternehmen dürfen nur in bescheidenem Maße als Subunternehmer vom Kuchen naschen.

Dennoch sind die Gelder aus Peking willkommen, weil die meisten Länder in diesem Teil Europas Rieseninvestitionen in die über Jahrzehnte vernachlässigte Infrastruktur stecken müssen. Weil viele Staaten wirtschaftlich weiter unterentwickelt sind, können sie die Kosten nicht aus eigenen Mitteln bestreiten.

Europäische Diplomaten sehen die Gipfeldiplomatie Chinas kritisch. "Teile und herrsche", beschrieb ein hoher Diplomat das Vorgehen Chinas, finanzschwache EU-Länder mit Krediten zu umwerben und damit eine gemeinsame europäische Politik gegenüber Peking zu untergraben. Li Keqiang halte in Belgrad Hof wie der "Kaiser von China".

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