Radfahren mit Rückenwind aus dem Akku

Nohfelden · Einst als Reha-Instrument verspottet, hat das Pedelec sein Negativ-Image längst verloren. Insgesamt 480 000 E-Bikes rollten im vergangenen Jahr aus deutschen Fahrradläden – und die Tendenz ist weiter steigend.

 Das Pedelec hat sein einstiges Image als Reha-Instrument abgestreift. Diesen Sommer werden rund 2,1 Millionen Räder mit elektrischem Zusatzantrieb in Deutschland unterwegs sein. Fotos: obs/ADAC/dpa

Das Pedelec hat sein einstiges Image als Reha-Instrument abgestreift. Diesen Sommer werden rund 2,1 Millionen Räder mit elektrischem Zusatzantrieb in Deutschland unterwegs sein. Fotos: obs/ADAC/dpa

Die Oberschenkelmuskulatur brennt. In den Schläfen pocht der Puls, Schweiß rinnt in kleinen Bächen den Rücken hinab. Umdrehung für Umdrehung kurbelt sich der Radfahrer die Anhöhe hinauf. Wie schön wäre es, mag er mit zusammengekniffenen Augen denken, wenn jetzt eine helfende Hand am Sattel angreifen und mitschieben würde. Oder wenn man einen kleinen Hilfsmotor einschalten könnte, der einem die Spitze der Belastung nehmen würde. Genau das bietet einem ein Elektrorad, kurz E-Bike genannt.

Mehr als jedes zehnte der 4,1 Millionen Fahrräder , die im vergangenen Jahr aus den mehr als 1000 Fahrrad-Läden in Deutschland rollten, war nach Angaben des Zweirad-Industrieverbandes (ZIV) ein solches E-Bike. "Wenn wir von E-Bikes reden, so sind damit eigentlich zu 95 Prozent die sogenannten Pedelecs gemeint", erläutert Anja Knaus vom Schweizer E-Bike-Pionier Flyer aus Huttwil. Der Begriff Pedelec, so erklärt es Knaus, leite sich aus dem Englischen Pedal, Electric und Cycle ab und verdeutliche, dass der Motor nur arbeitet, also unterstützt, wenn man selbst in die Pedale tritt. "Der Hilfsmotor hat drei Stufen, Eco, Standard und High", sagt Sabine Geib-Wild, die am Bostalsee, idyllisch im Hügelland des nördlichen Saarlands gelegen, Pedelecs an Touristen verleiht. "Die Steuerung ist recht einfach. Wichtig ist ökonomisches Fahren, also das richtige Schalten je nach Geländebeschaffenheit." Doch das hätten die meisten schnell raus, weiß Geib-Wild. Sie habe zudem die Erfahrung gemacht, dass sich viele ein E-Bike zunächst nur ausliehen, ehe sie sich selbst eines zulegen würden

Sind im Jahr 2013 noch 410 000 E-Bikes in Deutschland verkauft worden, waren es 2014 bereits 480 000 Stück. Hauptgründe für die Steigerung von rund 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr sind laut ZIV vor allem die sich stetig weiterentwickelnde Batterie- und Antriebstechnologie, neue Modelle und Anbieter sowie ein verändertes Mobilitätsverhalten. Auch werde die Zielgruppe zunehmend jünger: Das Pedelec hat sein einstiges Image als Reha-Instrument abgestreift. In der Folge werden diesen Sommer nach Schätzungen des ZIV rund 2,1 Millionen Räder mit elektrischem Zusatzantrieb auf Deutschlands Straßen und Radwegen unterwegs sein.

Große Modellvielfalt

Aktuell, so schätzen Experten, gibt es rund 1500 verschiedene Pedelec-Modelle zum Durchschnittspreis von etwa 2300 Euro. Zwar gibt es auch "Schnäppchen" von wenigen hundert Euro. Allerdings sehen Experten des Allgemeinen Deutschen Radfahrerclubs ADFC die Käufer damit selten gut beraten. Denn die aufwendige Technik der Pedelecs sei für kleines Geld nicht zu haben, so die Experten. Damit zusammenhängend sollte auch beachtet werden, dass aufgrund der elektronischen Komponenten die Wartungs- und Unterhaltskosten in der Regel höher sind als bei herkömmlichen Rädern.

Wie findet sich der potenzielle E-Biker bei der Modellvielfalt zurecht? Und wie funktionieren Pedelecs überhaupt? Die Geschwindigkeit der normalen Pedelecs ist auf 25 Kilometer in der Stunde begrenzt, weshalb sie verkehrsrechtlich noch als Fahrrad zugelassen sind. Anders als die sogenannten S-Pedelecs, die schneller als 25 Kilometer in der Stunde fahren. Die ordnet das Bundesverkehrsministerium als Kleinkraftrad ein. Damit braucht dieses Elektro-Fahrrad eine Betriebserlaubnis. Es ist versicherungspflichtig, benötigt ein Kennzeichen und der Fahrer darüber hinaus einen entsprechenden Führerschein.

Bei den Pedelec-Antriebsformen und der Position des eingebauten Motors gibt es Unterschiede: Der im Vorderrad eingebaute Nabenmotor schränkt die fahrdynamischen Eigenschaften etwas ein. Verbreiteter ist der Motor am Hinterrad. Der hat jedoch den Nachteil, dass die Schaltung weitgehend auf Kettenschaltung beschränkt ist. Mittelmotoren ermöglichen indes sowohl Naben- als auch Kettenschaltungen und sorgen für Laufruhe und Effizienz.

Den "Rückenwind" liefern meist leistungsfähige Akkus auf Lithium-Ionen-Basis mit einer Reichweite von bis zu 100 Kilometern. Wie weit man damit aber tatsächlich kommt, hängt von vielen Faktoren ab. Im technischen Bereich etwa vom Stromverbrauch des Motors. Großen Einfluss hat auch der Fahrer selbst. Die von ihm gewählte Unterstützungsstufe - also der eigene Krafteinsatz - sowie das Schaltverhalten bestimmen die Reichweite ebenso wie Gesamtgewicht, Reifendruck und Art des Geländes.

Jeder Radtyp mit Hilfsmotor

 Zwar gibt es inzwischen auch Strom-Tankstellen für Fahrräder. Es empfiehlt sich aber, immer das eigene Ladekabel dabei zu haben.

Zwar gibt es inzwischen auch Strom-Tankstellen für Fahrräder. Es empfiehlt sich aber, immer das eigene Ladekabel dabei zu haben.

Praktisch jeder Rad-Typ, egal ob Tourer, Stadt-Bike oder auch Mountainbike, ist heute mit elektrischem Hilfsmotor erhältlich. Wer auch mal den kleinen Einkauf transportieren möchte, ist gut beraten, ein Modell mit tiefem Einstieg zu wählen. Kommt eine gelegentliche Wochenend-Ausfahrt hinzu, ist ein Modell mit Allroundqualität und sportlicher Note angesagt. Das urbane Publikum legt hingegen Wert auf Kompaktheit, Stadt-Bikes sind daher leicht zu transportieren, zu verstauen und finden gut Platz in öffentlichen Verkehrsmitteln. Und wer es wirklich sportlich mag, der setzt auf hochklassige E-Mountainbikes. Fürs E-Biken zu zweit bieten manche Hersteller sogar ein Tandem-Modelle an.

"In jedem Fall empfiehlt sich vor dem Kauf eine Probefahrt", rät Sabine Geib-Wild, an deren Verleihstation am Bostalsee E-Biker die Akkus ihres Zweirads wieder aufladen können. Es empfehle sich aber, aufgrund unterschiedlicher und systemspezifischer Ladeelektronik, immer das eigene Ladegerät dabei zu haben. Weitere Infos zu Pedelecs , den verschiedenen Modellen und worauf Kunden beim Kauf achten sollten, gibt es unter anderem beim ADFC.

adfc.de/pedelecsKommunen sollen nach einem Zeitungsbericht das Recht erhalten, Radwege für E-Bikes freizugeben. Die Bundesregierung wolle die Straßenverkehrsordnung entsprechend ändern, schreiben die "Stuttgarter Nachrichten" unter Berufung auf eine Antwort des Bundesverkehrsministeriums auf eine Anfrage des grünen Verkehrsexperten Matthias Gastel.

Demnach soll ein Zusatzschild, "E-Bikes frei", eingeführt werden. Außerhalb von geschlossenen Ortschaften sollen Radwege generell auch für sogenannte S-Pedelecs - das sind bis zu 45 Kilometer in der Stunde schnelle E-Bikes - freigegeben werden. Außerdem solle die Straßenverkehrsordnung so geändert werden, dass künftig ein Elternteil sein radelndes Kind unter acht Jahren auf dem Gehweg mit dem Fahrrad begleiten darf.

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