Von der verletzlichen Seite

Saarbrücken · „Was immer auch kommt“ ist der Titel des fünften Albums von Roger Cicero und auch der Titel seiner Tournee durch 17 deutsche Städte. Am Sonntagabend gastierte der Sänger mit seiner Big Band in Saarbrücken.

 Musik als Therapie gegen Trennungsschmerzen: Roger Cicero in der Saarlandhalle. Foto: Iris Maurer

Musik als Therapie gegen Trennungsschmerzen: Roger Cicero in der Saarlandhalle. Foto: Iris Maurer

Foto: Iris Maurer

Elegant gestylt, den unvermeidlichen Hut auf dem Kopf, temperamentvoll, frech und charmant, immer bereit zum Flirt mit dem weiblichen Publikum - so kennt man Roger Cicero . Doch dieses Macho-Image hat - sehr zu seinem Vorteil - Kratzer bekommen, ist "Mr. Swing" doch sichtlich gereift, musikalisch wie textlich. Am Sonntagabend erlebte die (allerdings nur zu Zweidritteln besetzte) Saarlandhalle in Saarbrücken den 43-jährigen Hamburger in Bestform. Es sind offensichtlich nicht nur "Männersachen", die Roger Cicero interessieren. Es geht jetzt um mehr als um Geschlechterrollen-Klischees.

Roger Cicero zeigt sich gefühlvoll und verletzlich, schließlich ist das neue, fünfte Album mit dem Titel "Was immer auch kommt" auch eine Art Musik-Therapie, in der der Jazz- und Pop-Sänger die Trennung von seiner Partnerin, Mutter seines fünfjährigen Sohnes, verarbeitet. Trennung und Neuanfang ziehen sich thematisch durch den Abend wie ein roter Faden. Wer scheitert, hat viel zu erzählen.

Es gehört Mut dazu, sich so tief in die Seele blicken zu lassen. Schnulzig wird es dabei zum Glück nie. "Da müsst ihr jetzt durch", kündigt Roger Cicero den ergreifenden Song "Frag nicht wohin" an, in dem er - selbst Gitarre spielend - voller Schmerz davon erzählt, wie er seinen Fünfjährigen zu Bett bringt - bevor er nach der Besuchszeit wieder zu sich nach hause fährt. Überhaupt sind die Texte, die wieder die Handschrift von Frank Ramond tragen, große Klasse (Weitere Texter: Rea Garvey, Christian Neander und Roger Cicero selbst). Es sind reife Texte, die den Nerv eines Publikums mittleren Alters treffen, das Nachdenkliches goutiert und eigene Lebenserfahrungen gespiegelt sieht. Mit "Glück ist leicht", einem beschwingten, poppigen Titel, der Lebensfreude und eine gesunde "Lebe den Tag"-Haltung transportiert, eröffnet Cicero den Abend. Er gibt damit dem Publikum die Quintessenz seiner eigenen Krisenbewältigung mit auf den Weg. Die Blue Notes spart er sich für später auf.

Unter die Haut geht das Trennungslied "Hollywood ": "Und zum Abschied fällt kein Regen, es gibt keinen letzten Kuss. Kein Orchester zum Finale. Das hier ist nicht Hollywood ". Ja, Roger Cicero arbeitet sich hier ab an den ganz großen Gefühlen. Dabei gelingt es dem Sänger und seiner vortrefflichen 12-köpfigen Big Band, mit der er bereits seit zehn Jahren arbeitet, die Balance zu halten zwischen melancholischen, wunderbar arrangierten Balladen, die das neue Album prägen, und bewährten, beswingten Stücken, wie "Frau'n regier'n die Welt" oder "Zieh' die Schuh aus". Und so tut die schwerere emotionale Kost der neuen Songs der Stimmung keinen Abbruch. Dies auch, weil die Band-Musiker immer wieder Gelegenheit haben, ihr Können in mitreißenden Soli zu zeigen, zum Beispiel in der rasanten, äußerst originellen Version von Toots Thielemans "Bluesette", einem Jazz-Klassiker.

Charmant und gut gelaunt führt Cicero durch den Abend. Die Rampe links rauf hinter die Bläser, die Treppe rechts wieder runter, lichttechnisch perfekt in Szene gesetzt: Ein begnadeter Entertainer wie Roger Cicero bewegt sich gerne und sicher auf einem solchen Laufsteg. Cicero geht mit dem Publikum auf Tuchfühlung, motiviert die "Party-Blocks" auf den Rängen zum Mitmachen - bis am Ende fast der ganze Saal steht, tanzt, klatscht und mitsingt. Zum Finale gibt es vier Zugaben. Nach fast zwei Stunden ohne Pause (wegen des Vorprogramms von Gregor Meyle) entlässt Roger Cicero das Publikum mit "Du bist mein Sommer" in die laue Oktobernacht. Ein tolles Konzert. Ein starker Auftritt.

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