Die Clubs der Welt in einer Stadt

Saarbrücken · 16 Konzerte, sechs Spielorte – am 8. November startet das Saarbrücker Jazzfestival. Ein Blick aufs Programm zeigt: Das Festival ist sich treu geblieben – und setzt weiterhin im Zweifel auf Qualität statt Prominenz.

 Kyle Eastwood spricht in Saarbrücken über die Musik zu den Filmen seines Vaters Clint – und stellt seine neue Jazz-CD vor. Foto: ver

Kyle Eastwood spricht in Saarbrücken über die Musik zu den Filmen seines Vaters Clint – und stellt seine neue Jazz-CD vor. Foto: ver

Foto: ver

Vier Mal stand Gregory Porter in den vergangenen zwölf Monaten auf einer Bühne der Region. Wäre der Souljazz-Sänger nun auch noch Gast des am 8. November startenden Saarbrücker Jazzfestivals - der Saal wäre wohl wieder randvoll, wie in Kaiserslautern, Metz, Luxemburg und vor zwei Wochen in Nancy. Porter ist der Jazz-Topstar der Saison, und ist ein Künstler erstmal derart inthronisiert worden, strömt das Publikum in Massen.

Gerade vor diesem Hintergrund ist es den Machern des Saarbrücker Festivals hoch anzurechnen, dass sie Jahr für Jahr der Versuchung widerstehen, die Zahl der Konzerte zu reduzieren, um sich stattdessen mit einem Gregory Porter oder Jamie Cullum breitenwirksam zu schmücken. Eine Versuchung, die umso verlockender sein dürfte, will man wie Festivalchef Wolfgang Krause jüngere Publikumsschichten erschließen. "Wir möchten zeigen, dass Jazz lebt, dass hier kein Reenactment, kein Nachspielen von etwas längst Totem stattfindet", sagt er. Und setzt daher verstärkt auf den "kommunikativen Aspekt des Festivals". Etwa mit einem "Jazz-Brunch" im St. Arnualer Gasthaus Unter der Linde (So, 16. 11.), wo es mit dem Lounge-Jazz-Quartett der Trompeterin Angela Avetisyan klangtechnisch ruhig auch mal ein bisschen kommerzieller zugehen darf. Oder mit einem Gesprächsabend mit Kyle Eastwood über die Filmmusiken zu den Streifen seines legendären Vaters Clint (24.11., Filmhaus), einen Tag bevor Eastwood nochmals auf der Bühne steht - diesmal mit Bass und Band, um seine neue CD vorzustellen (25.11., SR Funkhaus Halberg).

Seit der Gründung 2004 ist das Markenzeichen des Saarbrücker Jazzfestivals seine Vielfalt und kompromisslose Fokussierung auf Qualität. Statt großer Bühnenshows wird hier Club-Kultur kultiviert. Was im New Yorker "Blue Note", im Londoner "Ronnie Scott's" oder im Pariser "Duc des Lombards" aktuell angesagt ist - jedes Jahr im November bekommen wir in Saarbrücken einen Querschnitt geboten. Dabei setzt Krause auch dieses Jahr wieder auf zum Teil aparte Kombinationen, lässt etwa das junge, hierzulande noch kaum bekannte Saarbrücker Cosmpolitan Quintet mit dem prominenten Trio des italienischen Pianisten Giovanni Mirabassi zusammentreffen (23.11., SR Funkhaus Halberg), oder die exzentrischen Künstlerinnen Lou Tavano und Monika Roscher. Die französische Sängerin Tavano interpretiert Jazzstandards äußerst eigenwillig, die deutsche Gitarristin Roscher hat einen düsteren Big-Band-Sound kreiert, der streckenweise mehr an Portishead als an eine Jazzformation erinnert - das Festivaleröffnungskonzert am 8.11., 19 Uhr, in der Alten Feuerwache, könnte eine spannende Angelegenheit werden.

Hauptspielort ist jedoch wieder das Domicil Leidinger: In dem Hotel in der Mainzer Straße geben sich im November die Musiker die Klinke in die Hand. Da stellen der Pianist Alan Broadbent und die Gruppe Triosence ihre neuen Alben vor (s. Kritiken rechts), wird es ein Wiedersehen mit dem Pianisten Ramon Vallé und seinem Trio geben (11.11.), wird mit Daniel Humair eine Schlagzeug-Legende zu Gast sein (18.11.) und mit dem Baritonsaxofonisten Gary Smulyan ein Star der New Yorker Szene (17.11). Dies sind nur einige der insgesamt 16 Konzerte - manch ein Name mag selbst der Jazzkundige noch nicht gehört haben - doch die Festival-Erfahrung lehrt: Es lohnt sich fast immer, sich überraschen zu lassen.

Vollständiges Programm und Tickets: www.jazz-syndikat.de

Sie selbst nennen es "Songjazz": 1999 gegründet, haben Triosence die große Renaissance des Jazz-Klaviertrios hierzulande miterlebt und mitgestaltet. Dabei gehören Bernhard Schüler (Piano), Matthias Nowak (Bass) und Stephan Emig (Schlagzeug ) zu Vertretern einer eher poporientierten Spielweise: bluesige Melodien, eingängige Akkordprogressionen, nostalgische Moll-Walzer-Anleihen - all das findet sich auch auf der neuen Live-CD "One Summer Night". Auf ihr entstehen immer wieder Momente der Anmut, über die Dauer eines ganzen Albums fehlt der Musik jedoch die Spannung. Man vermisst Ecken und Kanten.

Triosence: One Summer

Night (Mons Records).

Saarbrücker Konzert: 13. 11., 20 Uhr, Domicil Leidinger.

Die bezaubernd perlenden Läufe in der Rechten, die hingetupften zart-reibenden Akkorde in der Linken, die eingestreuten beidhändigen Arpeggien: Ohne Frage, mit dem auf dem Vinyl-Label "Edition Longplay" erschienenen Solo-Album "Just one of those things" beschwört der Pianist Alan Broadbent den Geist legendärer Bill-Evans-Aufnahmen. Ohne jedoch den großen Poeten des Jazzklaviers zu kopieren. Der Neuseeländer hat einen eigenen, eher an Basslagen orientierten, doch nicht minder lyrischen Zugang zu Standards von "All the things you are" bis "Autumn leaves". Ein Hörgenuss.

Alan Broadbent: Just one of those things (LP in limitierter Auflage bei Edition Longplay).

Saarbrücker Konzert: 10.11., 20 Uhr, Domicil Leidinger.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort