Viel diskutiert, viel geehrt, jüngst gehasst

Saarbrücken · Seit 2012 vergibt die Universität des Saarlandes eine deutschlandweit einzigartige Dozentur – sie bedenkt ausschließlich Bühnenautoren. Diesmal wird einer der produktivsten und bekanntesten Dramatiker bedacht: Falk Richter. Sein gegen Rechts gerichtetes Stück „Fear“, unlängst in Berlin herausgekommen, sorgt gerade für Aufregung.

Es ist ein Glücksfall, der Zeitpunkt für die (naheliegende) Wahl dieses Erfolgreichen. Welcher Theatermacher außer vielleicht Volker Lösch, der gerade in Dresden einen Pegida-Bürgerchor auf die Bühne stellte, könnte derzeit unmittelbarer von den Produktionsbedingungen zeitgenössischer Dramatik berichten als der in Berlin lebende Falk Richter (46)? Ende Oktober brachte er an der Berliner Schaubühne sein Stück "Fear" heraus, einen provozierenden Horrortrip durch die Angst- und Hass-Abgründe der rechten Szene. Seitdem ist Richter von Empörungs- und Erregungswellen umtost, begleitet von Stückabsetzungsforderungen, üblen Schmierereien auf der Theaterfassade, (Mord-)Drohungen. Richter, ein "geistiger Brandstifter" der Antifa-Gewalt gegen Rechts?

Das Publikum wird im Januar viel Debattenstoff haben, wenn Richter anreist, um seine öffentlichen "Vorlesungen" zu halten. Die sind - neben einem Seminarbesuch auf dem Campus - Teil der Poetikdozentur-Verpflichtung. Seit 2012 gibt es die Auszeichnung für Dramatiker deutschlandweit nur im Saarland, die Saarbrücker Universität hat sie zusammen mit dem Saarländischen Staatstheater entwickelt. Nach Rimini Protokoll, Roland Schimmelpfennig , Kathrin Röggla und Albert Ostermaier ist Richter der fünfte Inhaber der Dozentur.

Er ist ein international gefragter Theatermann, dazu einer der produktivsten und vielseitigsten, der an vielen großen Häusern beschäftigt wird, etwa am Schauspielhaus Zürich, der Oper Frankfurt oder dem Wiener Akademietheater. Richters Hauptwirkungsstätten sind jedoch die Schaubühne Berlin und das Düsseldorfer Schauspielhaus . Er inszeniert und choreografiert die eigenen Stücke, führt Schauspiel- und Opernregie zwischen Tschechov, Henze und Fosse, schreibt Hörspiele, fertigt Übersetzungen. Man darf ihn als dezidiert gesellschaftspolitischen Autor begreifen. In seinem Fokus: die charakterlichen und ökonomischen Deformationen, die der Neoliberalismus verursacht.

Bei Richter sind literarischer Anspruch und politischer Impetus eng verwoben. Seine Kritik richtet sich beispielsweise gegen Homophobie ("Small Town Boy"), mediale Versklavung ("Electronic City"), Egomanie und Karrierismus ("Peace") oder gegen Mode-Hörigkeit ("Kult"). Alle seine Stücke vibrieren am beschleunigten Puls unserer globalen Epoche, benutzen und denunzieren deren Jargon, klagen an, karikieren, kreiseln wie Derwische um die eigene Kunst-Achse - ohne in analytische Tiefen vorzustoßen? Nur einer der Punkte, die in Saarbrücken zu diskutieren wären.

Termine der Falk-Richter-Vorträge (jeweils 20 Uhr): 4. Januar 2016 (Alte Feuerwache), 11. 1. (Kellertheater im Saarbrücker Schloss), 25. 1. (Saarbrücker Stadtgalerie), Eintritt frei.

Bei Falk Richter sind literarischer Anspruch und politischer Impetus eng verwoben. Foto: Musil/dpa

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