Reife Beziehung zwischen Kunst und Design

Saarbrücken · Am 25. Oktober 1989 wurde die Saar-Kunsthochschule (HBKsaar) gegründet. Ihr Alleinstellungsmerkmal: das interdisziplinäre Profil, bei dem die Grenzen zwischen den Studiengängen der Freien Kunst und des Designs fließend sind.

 Vor allem ein Blickpunkt bei Nacht am Saarbrücker Ludwigsplatz: Lichtkunst an der Medienfassade der HBK-Galerie. Foto: Ingeborg Knigge

Vor allem ein Blickpunkt bei Nacht am Saarbrücker Ludwigsplatz: Lichtkunst an der Medienfassade der HBK-Galerie. Foto: Ingeborg Knigge

Foto: Ingeborg Knigge

Wie muss man sich das vorstellen, wenn eine Kunsthochschule neu gegründet wird? "Es war sehr experimentell, es gab eine tolle Aufbruchstimmung", erinnert sich Ulrike Rosenbach , erste gewählte Rektorin der HBKsaar - und die erste Frau an der Spitze einer deutschen Kunsthochschule. Die Weichen gestellt hatte Jo Enzweiler als Gründungsrektor und Professor für Malerei (bis 1999). Dann kam 1990 also die damals 47-Jährige Performance-Künstlerin und Beuys-Schülerin nach Saarbrücken, um mit dem Team der "Stunde Null" eine neue, innovative Kunsthochschule zu schaffen, deren oberstes Ziel war, die Grenzen zwischen Kunst und Design aufzulösen, fachübergreifend und projektorientiert zu unterichten und den Studierenden aller Fachrichtungen die Möglichkeit zu geben, ihre Fähigkeiten und Talente überall auszuprobieren. Dass sie es als Frau in einer solchen Position nicht leicht hatte, verschweigt die Feministin nicht. "Kunst ist immer schon ein männliches Prinzip gewesen", sagt Rosenbach . "Es ging mir auch immer um die Anerkennung weiblicher kreativer Strukturen", erklärt sie - und wundert sich, warum man 1989 dann doch nicht so innovativ gewesen sei, eine Frauenquote an der HBK einzuführen. 1993 wurde Rosenbach als Rektorin von dem Kunsthistoriker Horst-Georg Haberl abgelöst (Rektor bis 2001). Sie lehrte noch bis 2007 Neue Künstlerische Medien, darunter Performance, Foto- und Videokunst an der HBKsaar.

"Die Verzahnung von Kunst und Design, das war unsere Gründungsidee. Wir fühlten uns wie in einem Gründercamp, es ging ganz schön an die Substanz", erzählt Ivica Maksimovic, der ebenfalls zur Gründungsmannschaft zählt, und die HBK von 2004 bis 2013 als Rektor entscheidend mitprägte. In zwei Jahren wird der Professor für Kommunikationsdesign emeritiert, ebenso wie sein Kollege Andreas Brandolini, Professor für Produktdesign . Beide haben die heiße Gründungsphase vor 25 Jahren miterlebt, als die erste Handvoll Studenten und ihre fast genauso jungen Professoren ständig zusammensaßen, um über noch zu schaffende beziehungsweise unbedingt verzichtbare Strukturen zu diskutieren. Saarbrücken sollte ein Gegenentwurf sein zu den altehrwürdigen Kunstakademien, in denen Professoren manchmal wie kleine Götter verehrt wurden und ihre Kunst-Jünger um sich scharten.

"Wir hatten keine Strukturen für die neue Idee, es war wie ein Rennnauto zu haben ohne Motor", amüsiert sich Maksimovic. Dass es daher hin und wieder gewaltig krachte zwischen den Disziplinen, versteht sich von selbst. Und wenn die Professoren zuweilen den roten Faden der Interdisziplinariät zu verlieren drohten, erinnerten enthusiastische, hartnäckige Studenten an die Gründungsidee des "Saarbrücker Modells", mit dem die Saarländer absolutes Neuland betraten. "Wir hatten zum Beispiel die erste Medienklasse in Deutschland", ist Ulrike Rosenbach noch heute stolz.

Auf der Basis der interdisziplinären Idee der Saarbrücker Kunsthochschule wurde zwei Jahre später die Bauhaus-Universität in Weimar gegründet, wieder unter Mitwirkung von Lucius Burkhardt, Stadtplaner, Soziologe und als Mitglied der Saarbrücker Gründungskommission der Vor- und Querdenker des interdisziplinären Ansatzes. "Saarbrücken, das war Version 1.0", scherzt Ivica Maksimovic. "Weimar hatte 2.0".

Die HBKsaar ist im bundesweiten Vergleich eine kleine Hochschule. "Für klein, aber fein" hält man sich hier selbstbewusst. "Fachübergreifend so zu arbeiten wie wir, das funktioniert nur an kleinen Hochschulen wie dieser", ist Brandolini überzeugt. Er schätzt besonders die "großen Gestaltungsspielräume" und die kurzen Wege. Weil man sich ohnehin nicht aus dem Weg gehen könne, bleibe nur die konstruktive Zusammenarbeit. Das interdisziplinäre Arbeiten fordere auch die Lehrenden, finden die beiden Design-Professoren. "Man kann hier nicht aus dem Eingemachten leben", weiß Brandolini. Um Erfolg zu haben, müsse man auch in Zukunft "wendig bleiben". Das dies bisher gut gelinge, zeigten die vielen Kooperationen der HBK mit anderen Bildungsinstitutionen, aber auch mit Unternehmen.

,,Die HBKsaar hat sich bundesweit und international etabliert", schreibt die amtierende Rektorin Gabriele Langendorf , Professorin für Malerei, im Jubiläumskatalog. Das belegen auch die Zahlen: Waren es im Jahr 2000 noch 256 Studierende, so sind heute rund 400 in Saarbrücken eingeschrieben. Es ist womöglich auch das unkonventionelle, familiäre Klima, das die HBKsaar attraktiv macht. Die Hierarchien sind flach, die Kurse oft klein. Es wird gern geduzt und offen diskutiert, sagt Maksimovic. Diesen Teamgeist spiegele auch die seit 2013 neue Struktur mit zwei Prorektoren statt einem wider (Rolf Sachsse, Professor für Designgeschichte und -theorie, und Burkhard Detzler, Professor für Digitale Medien), die eng mit der Rektorin zusammenarbeiten und sich Aufgabenfelder teilen.

,,Es ist uns gelungen, die Strukturen so zu ändern, dass die Gründungsidee überlebt und Zukunft hat", resümiert Ivica Maksimovic, der in seiner neunjährigen Amtszeit viele Weichen dafür stellte.

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Hintergrund

Die Hochschule der Bildenden Künste Saar (HBK) wurde am 25. Oktober 1989 in Saarbrücken gegründet (Keplerstraße am Ludwigsplatz). Sie ist eine der jüngsten Kunst- und Designhochschulen in Europa mit heute 1 7 Professoren und rund 400 Studierenden in folgenden Fächern: Freie Kunst, Produktdesign , Kommunikationsdesign und Media Art & Design, Kunsterziehung (fürs Lehramt), Kuratieren/Ausstellungswesen, Museumspädagogik, Netzkultur/Designtheorie und Public Art/Public Design. Es gibt zudem den Studiengang Medieninformatik in Kooperation mit der Saar-Uni und dem Deutschen Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz. Weiterer Standort: die Handwerkergasse in der Völklinger Hütte.Der HBKsaar sind drei An-Institute angegliedert: Das Institut für aktuelle Kunst in Saarlouis, das Institut für kuratorische Theorie und Praxis in St. Ingbert, das Institut für visuelle Kommunikation in Güstrow. Junge Glasdesigner werden auch im Centre international d'Art Verrier im elsässischen Meisenthal unterrichtet (Kooperation mit der Uni Nancy). Mit experimentellen Forschungsprojekten an der Schnittstelle von Kunst, Design und Technologie beschäftigt sich seit 2012 das Experimental Media Lab. Neu eingerichtet ist auch das Digitale Produktionszentrum, ein Forschungsstandort für neueste Gestaltungsmöglichkeiten im Design (in Kooperation mit der Informatink der Saar-Uni). esb

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