Expedition durch den Dschungel des Deliriums

Der Naturwissenschaftler Alexander von Humboldt ist schon recht greise, da erhält er Besuch von der Tochter seines Freundes Bonpland. Der ist vor langer Zeit im kolumbianischen Dschungel verschollen. Doch Luise hat sein Vermächtnis dabei, ein Päckchen mit seinen Notizheften.

Von Humboldt beginnt zu lesen, von Vulkanen und verlassenen Minen, Fieber, Schüttelfrost, seltsamen Tieren. Er bricht auf, um nach Bonpland zu suchen.

In ihrer surrealen Graphic Novel "Humboldts letzte Reise" lassen die Franzosen Vincent Froissard und Étienne Le Roux den Forscher eine fantastische Suche starten, die am Amazonas, vor allem aber auf der inneren Landkarte seiner Erinnerungen, Träume und Wahnvorstellungen stattfindet. Düster und ornamental gezeichnet, ist das Werk dramatisch in Szene gesetzt. Die Überfahrt in einem portugiesischen Schoner, ein Unglück bringender Sternschnuppenregen, das Zusammentreffen mit dem Kommandanten Pershing im Dschungel, dessen Soldateska die Eingeborenen knechtet, die Verfolgung durch den Rivalen Carl Ritter - all das spielt sich ab wie in einem sepiafarbenen Delirium, bei dem sich Tür um Tür zu immer bizarreren Welten öffnet.

Froissard und Le Roux geht es nicht um historische Exaktheit, sondern um schrankenloses Fabulieren. Vom Wüten der Saragossasee, von Ritten auf Libellen und dem Fallen durch Raum und Zeit erzählen sie. Diese "Reise" ist ein traumwandlerisches Werk, wie ein "Gulliver", der großzügig auf pädagogischen Mehrwert verzichten darf.

Froissard/Le Roux: Humboldts letzte Reise. Knesebeck Verlag, 160 Seiten, 24,95 Euro.

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