„Das Textlernen dauert heute zehnmal länger“

Michael Caine (82) gehört zu den Legenden des britischen Kinos. In den 60er Jahren erlebte er seinen Durchbruch mit Filmen wie „Zulu“ und „Alfie“, er gewann Oscars mit „Hannah und ihre Schwestern“ und „Gottes Werk und Teufels Beitrag“. Nun kommt er mit Paolo Sorrentinos Alterskomödie „Ewige Jugend“ in unsere Kinos: Im Erholungsurlaub in einem Luxus-Sanatorium wird ein Dirigent mit den Fehlern seines Lebens konfrontiert. SZ-Mitarbeiter Dieter Oßwald sprach mit Caine.

"Ewige Jugend" ist ein Film über das Älterwerden - was ist für Sie das Unangenehmste am Alter?

Caine: Das Schlechteste ist mit Sicherheit das morgendliche Aufstehen, wenn wieder einmal irgendetwas wehtut. Heute morgen hat zum Beispiel meine Schulter geschmerzt, weil ich zu lange auf der falschen Seite gelegen bin. Man schläft ganz wunderbar und bemerkt das erst, wenn man aufsteht.

Ihre Figur im Film fürchtet die Demenz. Geht Ihnen das genauso?

Caine: Mein bester Freund Doug, zugleich mein Schneider, litt an Alzheimer und starb schließlich daran. Man hat das Gefühl, als würde der Mensch einen verlassen, um zum Horizont zu gehen. Das geht langsam, bei ihm dauerte es drei Jahre, bis er endgültig verschwunden war. Ich weiß noch sehr gut, wie ich ihn besuchte und er mich zum ersten Mal nicht mehr erkannte. Mit meinen 82 ist es vielleicht am besten, dass man Alzheimer einfach vergisst.

Das Lernen der Texte funktioniert bei Ihnen noch wie früher?

Caine: Ich lerne ja seit 60 Jahren Dialoge. Aber das Textlernen dauert heute zehnmal länger. Früher bekam ich eine Seite Drehbuch und sagte: Das drehen wir in 20 Minuten. Heute sage ich: Das machen wir dann vielleicht in einer Woche.

Was ist das Geheimnis eines guten Schauspielers?

Caine: Seine Bühnenerfahrung. Wer im Theater eine Pointe hat, muss genau auf das Timing achten und wird vom Lachen des Publikums belohnt. Im Film fehlt diese Belohnung. Aber genau dieses Gespür für das Timing ist vor der Kamera unerlässlich, damit eine Szene überhaupt funktioniert. Es gibt viele Schauspieler, die ihre ersten Auftritt direkt im Film haben - und oft wird es ihr letzter sein.

Haben es Schauspieler heute schwerer als früher?

Caine: Im Gegenteil, die Schauspielerei ist heute einfacher, weil das Fernsehen so viele Möglichkeiten bietet. Auch wenn man dort einen Auftritt vergeigt, sammelt man wichtige Erfahrungen. Zugleich ist das Fernsehen eine gute Gedächtnisschule, denn manchmal wird eine Szene 20 Minuten am Stück gedreht. Ich habe in der längsten Live-Show des Fernsehens gespielt, die dauerte zweieinhalb Stunden.

Wer waren Ihre Vorbilder?

Caine: Humphrey Bogart und Marlon Brando . Bogart war ein unglaublich wahrhaftiger Typ, Brando ein verdammt guter Schauspieler. Wobei Brando sich seine Dialoge nie merken konnte und alle seine Texte an eine Wand geschrieben worden sind, damit er sie dort ablesen konnte. Einmal erzählte mir ein Kollege, dass Brando ihm einen Zettel mit seinen Dialogen auf die Stirn geklebt hätte.

Welche Schauspieler beeindrucken Sie heute?

Caine: Eddie Redmayne, für den ich bei den Oscars gestimmt habe. Und ich mag auch Benedict Cumberbatch, wenngleich der Name gewöhnungsbedürftig ist.

Hätten Sie an seiner Stelle den Namen geändert?

Caine: Das habe ich ja selbst getan - ich heiße eigentlich Maurice Joseph Micklewhite. Als man mich mal fragte, weshalb ich einen anderen Namen angenommen hätte, habe ich einfach gesagt, es gäbe bereits einen Maurice Joseph Micklewhite.

"Ewige Jugend" läuft zurzeit in der Camera Zwo (Sb).

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