„Es geht um Lage, Lage, Lage“

Wie geht es weiter mit dem Gebäudekomplex des ehemaligen Kultusministeriums, der einstigen Französischen Botschaft im Saarland? In einem Workshop (siehe Info) wird morgen und übermorgen über die Frage der Sanierung und möglichen zukünftigen Nutzung des derzeit leerstehenden Gebäudes diskutiert. Der Architekt Norbert Mendgen, der 1985 als Leiter der Bau- und Kunstdenkmalpflege im Staatlichen Konservatoramt für das Saarland das Gebäude als Kulturdenkmal ausgewiesen hat, hält die Nutzungsfrage für zweitranging. Erst müssten die massiven städtebaulichen Probleme gelöst werden, sagt er im Gespräch mit SZ-Redakteur Johannes Kloth.

 Blick auf den durch die Autobahn versperrten Eingang, Frühjahr 2014. Foto: die arge lola / regiofactum

Blick auf den durch die Autobahn versperrten Eingang, Frühjahr 2014. Foto: die arge lola / regiofactum

Foto: die arge lola / regiofactum

Sie haben das Kultusministerium 1985 unter Schutz gestellt - aus "geschichtlichen, künstlerischen, wissenschaftlichen und städtebaulichen Gründen". Warum hat das Gebäude eine so große Bedeutung?

Mendgen: Zum einen gibt es kein Gebäude von einer ähnlich hohen politischen Bedeutung für das Land. Es steht für den wiederholten Versuch der Franzosen, das Saarland für sich zu gewinnen, und für eine Zeit, in der man über die künftige Bedeutung des Saarlandes für Europa diskutierte. Dazu kommt die architektonische Bedeutung: Pingusson war fraglos einer der wichtigsten Vertreter der französischen und internationalen Moderne.

Trotzdem wurde das Gebäude - offenbar selbst nach der Ausweisung als Denkmal - nicht regelmäßig saniert…

Mendgen: Richtig. Wer ein Haus besitzt, muss es kontinuierlich unterhalten, das ist eigentlich eine Binsenweisheit. Nun ist ein Sanierungsstau bei öffentlichen Gebäuden keine Seltenheit. Meiner Meinung nach hängt aber der schlechte Bauunterhaltungszustand des Botschaftsgebäudes vor allem mit seiner städtebaulichen Lage zusammen. Und die war meiner Meinung nach auch mit ein Grund, warum der Kultusminister ausgezogen ist. Ich bezweifele, dass der statische Zustand tatsächlich so schlecht ist, dass ein Auszug notwendig gewesen wäre. Das eigentlich Merkwürdige ist, dass man über Jahre hinweg nie auf die Idee kam, mal zu hinterfragen, was eigentlich schief läuft, wenn man ein solch bedeutsames, repräsentatives Gebäude über einen der Stadt abgewandten "Nebeneingang" betreten muss.

Sie meinen den Eingang für den Büroteil der Botschaft am Ende des Hochhauses. Was ist denn aus Ihrer Sicht schief gelaufen?

Mendgen: Ein Immobilienmakler würde nur sagen: ‚Lage, Lage, Lage'. Und die Frage aufwerfen, wie sich das Objekt erschließen lässt. Es gibt einen Eingang mit dreiseitig umbautem Ehrenhof, einen architektonischen Außenraum der seines gleichen sucht! Doch er wird von der Autobahn versperrt, das Gebäude ist zur "Schallschutzwand" degradiert und so - trotz der hochwertigen Architektur - unattraktiv. Außer Landesbediensteten, die dazu verdonnert werden, wird da niemand reinziehen.

Welche Lösungen gibt es?

Mendgen: Am besten wäre es natürlich - auch unabhängig von dem Gebäude -, die Autobahn loszuwerden. Ich plädiere für eine Südumfahrung (Verschwenkung der A 620), die in vielerlei Hinsicht zur städtebaulichen Aufwertung führen würde. Zumindest aber wäre eine Runterzonung auf 60 Stundenkilometer notwendig.

Beides steht derzeit nicht zur Debatte, stattdessen ein sogenannter "Teilabriss"…

Mendgen: Das ist abartig. Das Gebäude besteht aus vier Teilen mit verschiedenen Funktionen: Wohn-, Wirtschaftsteil, dem Eingang mit Ehrenhof und Repräsentationsteil mit den Arbeitsräumen der ehemaligen Botschaft und dem hohen Büroteil. Einen Teil abzureißen käme dem Gesamtverlust gleich. Als es um die Erhaltung des Saarbrücker Schlosses ging, das auch in Teilen statisch unsicher war, kam zum Glück keiner auf die Idee, einen Teil abzureißen. Und die Kosten? Heute spricht man nur noch über die beispielhafte Qualität des Projektes, zu Recht.

Die Sanierung kostet 30 bis 40 Millionen Euro. Kann sich das Saarland das leisten?

Mendgen: Die Summe ist nicht das Problem. Entscheidend ist die Frage: Wem ist es das Geld wert und wessen Geld ist es? Es ist ein Gebäude von herausragender Bedeutung und Qualität. Wäre das Verkehrsproblem gelöst, wären 40 Millionen Euro nicht viel. Dann wäre es auch deutlich leichter, für die Sanierung entsprechende Geldgeber mit ins Boot zu holen.

 Freie Sicht: Das historische Modellfoto zeigt, wie der Zugang zur Botschaft – und vor dem Bau der A 620 auch noch zum Kultusministerium – möglich war. Foto: Cité de l'architecture et du patrimoine

Freie Sicht: Das historische Modellfoto zeigt, wie der Zugang zur Botschaft – und vor dem Bau der A 620 auch noch zum Kultusministerium – möglich war. Foto: Cité de l'architecture et du patrimoine

Foto: Cité de l'architecture et du patrimoine

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Auf einen BlickDer von Georges-Henri Pingusson als Französische Botschaft entworfene Gebäudekomplex ist als einziger Teil einer städtebaulichen Gesamtplanung Pingussons heute noch erhalten. Ab 1960 war das Gebäude Sitz des Kultusministeriums. Im April 2014 zog das Ministerium wegen Sanierungsbedarfs in die Alte Post am Hauptbahnhof. Seither steht das Gebäude leer. Ob, wann und in welchem Umfang es saniert wird, ist noch unklar. Unter der Federführung des Deutschen Werkbundes Saar findet morgen und übermorgen im Gebäude der interdisziplinär besetzte Workshop "Es lohnt sich" statt. Hier sollen Ideen für eine Nachnutzung des Ensembles, insbesondere des Hochhauses, gesammelt werden. Die Ergebnisse werden am Freitag, 14 Uhr, präsentiert. jkl

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