Nachdenken über Yvan Goll im Künstlerhaus

Saarbrücken · Yvan Goll (1891-1950) ist einer der bedeutendsten Söhne der Großregion SaarLorLux. Dass man ihn kaum als solchen wahrnimmt, liegt wohl daran, dass er vor allem als jüdischer und französischer Literat gilt. Dabei ist sein Schicksal bezeichnend für die Geschichte der Region.

 Eine Arbeit der Saarbrücker Künstlerin Ingeborg Knigge. Foto: Knigge

Eine Arbeit der Saarbrücker Künstlerin Ingeborg Knigge. Foto: Knigge

Foto: Knigge

Goll wurde als Issac Lang in Saint-Dié geboren, in jenem Teil der lothringischen Vogesen, der nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1871 bei Frankreich verblieben war. Der Vater war Elsässer, die Mutter Lothringerin. Goll wuchs in Metz zweisprachig auf und studierte in Straßburg. Als Pazifist floh er vor dem Wehrdienst im Ersten Weltkrieg in die Schweiz, ging nach Kriegsende nach Paris und musste schließlich zu Beginn des Zweiten Weltkriegs nach New York flüchten, von wo er 1947 zurückkehrte. Goll blieb immer ein Getriebener - mit seinem Alter Ego "Johann Ohneland" war er auf der Suche nach sich, seiner Heimat und seiner Identität als Jude, Deutscher und Franzose. Seine Gedichte und Romane sind voller Weltschmerz und Melancholie, und doch schimmert stets der Philanthrop und Utopist durch. Vor allem sein lyrisches Werk, im deutschen Expressionismus verwurzelt und später dem Surrealismus nahe, fragt nach den Konzepten von Staaten und Grenzen. Der Dichter stellt dem Nationalismus eine kulturelle Globalisierung entgegen. Sein Konzept eines entgrenzten Europa ist bis heute erstaunlich aktuell.

Was ist von dieser Utopie geblieben? Das fragt das Saarländische Künstlerhaus und zeigt in der Ausstellung "In Lothringens Fruchtbäume kletterte ich. . ." Arbeiten von sieben Künstlern, die mit der Großregion verbunden sind. Globalisierung wird heute vor allem als ökonomische Entwicklung begriffen, die den Menschen nur noch mehr entfremdet - von der eigenen Arbeit, von den Mitmenschen und sich selbst. Kein Wunder also, dass viele Künstler kritisch mit dem Thema umgehen.

Der Luxemburger Jerry Frantz füllt in "Utopia Fidelibus" ein Taufbecken mit Rohöl aus Syrien; ein visuell anregendes Werk mit einer lackschwarz schimmernden Oberfläche, das den "Krieg ums Öl" kritisiert. Deutlich auch seine Kritik am Heimatland: ein großer Tresor mit dem Luxemburger Wappen - das Großherzogtum als Hort des großen Geldes.

Thiery Fourniers "Ecotone" taucht den ersten Raum in meditative Musik. Eine Videoprojektion simuliert den endlosen Flug über eine künstliche Berglandschaft. Computerstimmen lesen Twitter-Meldungen mit Wünschen vor - banale, aber auch existenzielle, wie etwa den Wunsch nach einem Knochenmarkspender. Mit dem Internet wird Golls Idee einer grenzenlosen Welt vielleicht am ehesten erfüllt.

Ingeborg Knigge zeigt 16 Fotografien urbaner Räume. Menschenleer, machen die kleinformatigen Arbeiten Einsamkeit erfahrbar und lassen uns so an Golls emotionaler Welt teilhaben. Außerdem vertreten sind Alain Della Negra und Kaori Kinoshita mit einer Videodokumentation und das Künstlerpaar Mwangi Hutter mit einer weiteren Videoarbeit. Gut, dass diese Ausstellung Goll auch im Saarland in Erinnerung ruft.

Bis 9. April. Di bis So: 10 bis 18 Uhr

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