Wie man Kirchtürme kleiner und Gemeinsinn größer macht

Homburg · Was Dorferneuerung, Solidarität und Flüchtlinge miteinander zu tun haben: Eindrücke von einer Homburger Tagung der Deutschen Kulturgesellschaft.

Irgendwann an diesem Donnerstagmorgen im Homburger Landratsamt fiel ein schöner, vielsagender Satz. Er kam vom Zweibrücker Oberbürgermeister Kurt Pirmann (SPD): "Wir müssen die Kirchtürme kleiner machen." Er meinte damit, dass kommunales Erbhofdenken in klammen Zeiten nicht weiterführt. "Auch Verzicht kann Gewinn bedeuten", warb der Zweibrücker OB bei der unter dem Motto "Nachbar schafft Landeskultur" stehenden Regionaltagung der Deutschen Landeskulturgesellschaft (DLKG) gestern für eine überörtliche Bündelung der Kräfte. Man könnte es auch so sagen: Nicht jeder Ort braucht etwa einen Kunstrasenplatz.

Saar-Umweltminister Reinhold Jost (SPD) nahm den Applaus für Pirmanns Worte auf und blies in seiner schon 20 Jahre währenden Eigenschaft als Ortsvorsteher von Rehlingen-Siersburg ins gleiche Horn: Es mache keinen Sinn, "in allen Ortsteilen dasselbe zu machen, damit alle ruhig sind". Kurz darauf indes meinte Jost, es in Rehlingen-Siersburg mit sechs Hallen zu tun zu haben, von denen keine wirklich tadellos sei. Des Ministers Einlassung auf dem DLKG-Podium war insoweit vielsagend, als die Homburger Vorträge etwas verdeutlichten: Die Frage, inwieweit Dörfer und der ländliche Raum generationenübergreifend (!) als Solidargemeinschaft revitalisiert werden können, hat indirekt auch mit Verwaltungsstrukturen zu tun. Der Duisburger Humangeograph Gerhard Henkel, der gerade die Streitschrift "Rettet das Dorf!" vorgelegt hat (SZ vom 7.

2.), plädierte in seinem (ermüdend-akademischen) Vortrag für möglichst dezentrale Verwaltungsstrukturen. Wäre dies tatsächlich der Königsweg zu mehr Basisdemokratie? Man könnte auch gegenteiliger Auffassung sein: Die extreme Kleinteiligkeit im Saarland (52 Kommunen, fünf Landkreise) begünstigt bekanntlich überall Filz. Und fördert eher Lobby- denn Sach-Politik. Das Kappen der Kirchtürme, von dem Pirmann sprach, wäre womöglich also eher durch größere Verwaltungseinheiten zu erreichen.

Der überschäumend für seinen "Beritt" werbende Landrat des Saarpfalz-Kreises, Theophil Gallo (SPD), betonte, dass es noch viel Zusammengehörigkeitsgefühl in den Ortschaften gebe. Aber auch Alarmsignale wie den Wegfall von Gastronomiebetrieben. Oder den "Untergang der Kulturvereine", wie Zweibrückens OB Pirmann ausführte, der "Projektvereine" als zeitgemäße Antwort auf das Vereinssterben sieht: Weil Projektvereine dadurch, dass sie auch ein nur temporäres Engagement ermöglichen, niedrigschwellig funktionieren. Mal stemme man ein Musical-, mal ein Theaterprojekt.

Dass solche Vereine genauso gut sozial integrativ wirken können, verdeutlichte Werner Klöckner, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Daun. "Damit jeder Ältere, der zuhause sterben will, das auch kann", gründete sich in Daun, das "ganzheitliche Gesundheit" zur Gemeindevision erklärt hat, ein Bürgerverein. Klöckner zog gestern eine ermutigende Bilanz: Es sei eine (von diversen Sozialpartnern abgefederte) Solidargemeinschaft entstanden, die den Bleibewunsch der Älteren tragen wolle.

Am Erfrischendsten geriet Armin Kuphals der Integration von Flüchtlingen gewidmeter Vortrag. Der Saarbrücker Soziologe erinnerte daran, dass Integration nirgendwo besser gelinge als auf dem Sportplatz. Wem man näher komme, der sei einem nicht mehr fremd, warb Kuphal für Aufgeschlossenheit in den Dörfern. Wohlwissend, dass selbst Zugezogene dort manchmal ein halbes Leben lang um ihre volle Anerkennung buhlen müssen, beschönigte sein launiger Vortrag nicht die Mühen der Ebene. Richtschnur der Dorfentwicklung im Saarland sei die Einsicht, Lasten möglichst auf viele Schultern zu verteilen. Und wenn die Leute (nach der Devise "Ei, misch hat jo kenna gefroaht") nun mal estamiert werden wollten, ehe sie aktiv werden, "ja dann müssen wir eben das Fragen üben", packte Kuphal das zahlreiche Publikum gleich bei der Nase.

Hinten im Saal stand der saarländische Dorferneuerer par excellence, Ottmar Weber aus dem Umweltministerium, und schmunzelte. Kuphal sprach ihm aus der Seele, als er ein Plädoyer für etwas hielt, was heutzutage alles andere als selbstverständlich ist: Mit Neubürgern mal unvoreingenommen auf der Straße das Gespräch zu suchen. "Das ist das, was vielen Flüchtlingen hier am meisten fehlt." Das war der eine rote Faden dieser Tagung: Gemeinsinn fängt bei mir selbst an. Der andere, in Pausengesprächen gewonnene, war die Einsicht, dass an der Saar so manche Bundes- und EU-Mittel zur Dorferneuerung verloren gehen, weil es ein massives Ko-Finanzierungsproblem auf Landes- und Gemeindeebene gibt.

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