Hier kam die Moderne zur Welt

Dessau · Gestern wurde der Grundstein für das neue Bauhaus Museum Dessau gelegt, das 2019 fertiggestellt sein soll. Grund genug, auf die Geschichte des Bauhausgebäudes in Dessau zu blicken.

 Klare Linie: das Bauhaus-Gebäude in Dessau, das zum Unesco-Weltkulturerbe gehört. Foto: Wolf/dpa

Klare Linie: das Bauhaus-Gebäude in Dessau, das zum Unesco-Weltkulturerbe gehört. Foto: Wolf/dpa

Foto: Wolf/dpa

So etwas hat die Welt noch nicht gesehen. Mehr als tausend Gäste aus aller Welt sind sprachlos, als sie das neue Bauhausgebäude in Dessau sehen. Es ist der Abend der feierlichen Eröffnung, alle Fenster sind erleuchtet an diesem 4. Dezember 1926. Der Bau scheint über dem grauen Betonsockel regelrecht zu schweben. So sieht die Zukunft aus. Bis 1930 allein pilgern mehr als 20 000 Besucher zum Bauhaus. Der russische Schriftsteller Ilja Ehrenburg spricht von einem "Triumph der Klarheit".

Die Faszination des Bauhausgebäudes ist bis heute ungebrochen. Es ist eine Ikone der Avantgarde, gilt als Geburtsort der Moderne und erstrahlt seit Abschluss der Generalsanierung 2006 wieder in seiner ganzen Schönheit. Kunst und Technik sollten eine Einheit bilden, wie sein Architekt Walter Gropius es formulierte, er wollte "den klaren organischen Bauleib schaffen, nackt und strahlend aus innerem Gesetz heraus ohne Lügen und Verspieltheiten, der unsere Welt der Maschinen, Drähte und Schnellfahrzeuge bejaht". Die Werkstattarbeit sollte im Zentrum der Lehre stehen, also musste der Werkstattflügel mit seiner gläsernen Vorhangfassade das Schaufenster der Schule sein.

Auch Frankfurt am Main, Darmstadt, Hagen und Mannheim hatten sich 1925 beworben, als das Bauhaus in Weimar schließen musste, weil der konservative Stadtrat den Vertrag des Direktors Walter Gropius nicht verlängerte. Da aber der liberale Dessauer Bürgermeister Fritz Hesse sich bemühte und mit den Junkers-Flugzeugwerken zudem idealer Nährboden für den Versuch gegeben war, Kunst und Technik zu verbinden, entschied Gropius sich für die Stadt an Elbe und Mulde.

Schnell entwickelte sich das Bauhaus zum kulturellen Mittelpunkt der Industriestadt Dessau. Namhafte Künstler wie Kurt Schwitters, Else Lasker-Schüler, Béla Bartok, El Lissitzky, Naum Gabo und Gret Palucca traten auf der Bauhausbühne auf oder hielten Vorträge. Wöchentlich trafen bis zu 200 Studienplatzanfragen aus aller Welt ein. Wer etwas auf sich hielt, wollte an der Hochschule für Gestaltung, wie das Bauhaus jetzt offiziell hieß, studieren und eines der 28 Wohnateliers ergattern - im ersten in einen Schulkomplex integrierten Studentenwohnheim.

Die Kostümfeste waren legendär. Da konnte es schon mal vorkommen, dass Wassily Kandinsky als "Antenne" ging und Lionel Feininger sich als "zwei rechtwinklige Dreiecke" verkleidete. Nicht alle in der Stadt waren von so viel Avantgarde begeistert. Bald beschwerten die ersten Dessauer sich über nackt badende Studenten. "Ich schick dich ans Bauhaus", drohte so manche Mutter, wenn der Nachwuchs nicht spurte. Als die Bauhäuslerin Marianne Brandt erzählte, das Bauhaus habe die moderne Kleinschreibung eingeführt, wurde sie mit Stöcken bedroht.

Vor allem das Flachdach wurde als "undeutsch" diffamiert. Paul Schulze-Naumburg, Architekt des Schlosses Cäcilienhof in Potsdam, sah die Wurzeln dieser Architektur rassistisch in der "ostasiatischen, indianischen oder gar in der Negerkunst".

So funktional wie geplant und propagiert waren die Häuser nicht. Paul Klee und Kandinsky beantragten bei der Stadt sogar einen Heizkostenzuschuss, da die Räume mit ihren riesigen Fensterfronten im Winter kaum warmzukriegen waren. Immer häufiger gab es kritische Stimmen im Stadtrat. 1932 verordneten die Nazis schließlich die Schließung der Schule. Der NSDAP-Stadtverordnete Hoffmann freute sich, dass nun "eine der markantesten Stätten jüdisch-marxistischen Kunst-Willens von deutscher Erde verschwindet". Im September 1932 zog das Bauhaus nach Berlin, wo es am 19. Juli 1933 für immer schließen musste. Der Mythos aber lebt weiter.

Empfehlenswerte Bücher:

Boris Friedewald: Bauhaus. Prestel, 128 Seiten, 14,95 Euro. Christin Irrgang, Ingolf Kern, Nikolaus Brade: Das Bauhausgebäude in Dessau. Spector Books, 176 Seiten, 9,90 Euro.

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