Nicht nur Kreuzbergs Liebling

Saarbrücken · Er konnte Film, er konnte Fernsehen, er konnte singen, er konnte sagen, was Sache ist, und er war einer der raren Schauspieler, die in beiden deutschen Staaten geliebt wurden. Wie jetzt erst bekannt wurde, ist Manfred Krug am vorigen Freitag im Alter von 79 Jahren gestorben.

 Mensch Brocki: Manfred Krug alias Hauptkommissar Paul Stoever und Charles Brauer (l.) als Peter Brockmöller – eines der beliebtesten „Tatort“-Duos überhaupt. Foto: dpa

Mensch Brocki: Manfred Krug alias Hauptkommissar Paul Stoever und Charles Brauer (l.) als Peter Brockmöller – eines der beliebtesten „Tatort“-Duos überhaupt. Foto: dpa

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Es ging einem ans Herz, sah man ihn zuletzt bei einem seiner seltenen TV-Gastspiele: Manfred Krug, der als "Liebling Kreuzberg" Zigarre schmauchend das Leben immer prall mit beiden Händen gepackt hatte, saß da auf einem Talkshow-Sofa, von diversen Malaisen, vom Schlaganfall gebeugt, plötzlich so klein und schmal. Bloß die Stimme und der herbe Berliner Charme waren immer noch wie eh und je. Ja, er fehlte längst schon, bevor er jetzt am Freitag mit 79 Jahren in Berlin gestorben ist.

Denkt man an Manfred Krug, erinnert man sich hier tief im Westen erst mal daran, wie überraschend gut das (öffentlich-rechtliche) Fernsehen sein konnte. Wenn Krug im Trucker-Epos "Auf Achse" über staubende Pisten donnerte, saß ein Typ mit Herz und Schnauze am Lenker und lebte stellvertretend für den kleinen Mann vorm Bildschirm das Abenteuer. Und als Kiez-Anwalt "Liebling Kreuzberg" (1986 - 1998) half er endlich mal der Gerechtigkeit auf die Sprünge. Kein anämischer Gebührensatz-Ritter, sondern ein Menschenfreund in leger offener Robe. Notfalls wurde der Anwalt auch mal höchstpersönlich handgreiflich. Eine Rolle die ihm sein Freund, der Dichter Jurek Becker, auf den Genießerleib maßgeschrieben hatte. So unterhaltsam wie schlitzohrig.

Denkt man aber im Osten der heute großen Bundesrepublik an "Manne", dann ist er immer noch der Kino-Mann, der Defa-Star, der etwa als "Hauptmann Florian von der Mühle" den Wiener Kongress aufmischte. Nach abgebrochener Schauspielschule in Berlin und drei Jahren an Bert Brechts Berliner Ensemble, dem roten Theater-Heiligtum der DDR, war Krug seit den 60ern ein vielbeschäftigter Lichtspielheld. Mal im Mantel, mal mit Degen, mal nur Fäuste schwingend. Dass bei ihm gerade die Zupacker so wahrhaftig wurden, hatte seinen Grund. Krug, der am 8. Februar 1938 in Duisburg geboren wurde, ein Kriegs- und Fluchtkind, landete mit seinem Vater in der jungen DDR und machte dort erstmal eine Lehre als Stahlschmelzer. Das erdete ihn fortan und hinterließ auch äußerlich Spuren; seine Narbe auf der Stirn brannte ihm ein Spritzer flüssigen Stahls ein.

1966 schrieb er dann mit Regisseur Frank Beyer Kino-Geschichte: "Spur der Steine". Krug führte als Polier Balla eine aufmüpfige Zimmererbrigade an, die nicht nur nackt in einem städtischen Wasserbassin plantschte, vor allem machten sie die Klappe auf. Allen voran "Manne".

Genau das war seine Rolle auch im Leben. Den DDR-Kulturfunktionären passte das aber überhaupt nicht. Der Streifen verschwand im Giftschrank. Krug aber war da schon zu beliebt, um kaltgestellt zu werden. Es war ja nicht bloß das Kino, er war im Osten auch als Sänger eine Ikone. Jazz, Pop, Chansons, auch Schlager: Swinging-"Manne" brachte mit seinen Liedern ein Stück funkelnde Weltläufigkeit in den gräulichen Arbeiter- und Bauernstaat. Das bescherte ihm Popularität und auch Privilegien: Krug fuhr auch im Trabi-Land schon Benz. Kaufen ließ er sich von den Genossen dennoch nicht. Als man Wolf Biermann 1976 ausbürgerte, setzte auch Krug seine Unterschrift auf die Protestresolution. Danach ließ man ihn in der DDR quasi nichts mehr tun, Teilberufsverbot. Immerhin durfte er gehen - im Juni 1977 in den Westen. Dort aber war er wieder ein Niemand.

Die Serie "Auf Achse" (1977-1995) war dann sein Glücksfall, sie half ihm zurück auf die Erfolgsstraße - zumindest im Fernsehen. Von da an lief es bis hin zum "Tatort"-Kommissar. Mit Kollege Charles Brauer war er in 41 Folgen von 1984 bis 2001 ein ideales Gespann. Stoever und Brockmöller ermittelten ohne Hektik, bestenfalls mal mit etwas keuchender Ältere-Herren-Action, dafür mit viel Selbstironie und immer mehr Gesangseinlagen. Wer heute ihren Nachnachnachfolger beim NDR, Til Schweiger, erdulden muss, der jedesmal halb Hamburg in Schutt und Asche legt, sehnt sich nach den ruhigen Mordsbuben Krug und Brauer.

Die zunächst bloß als running gag gedachten "Tatort"-Intermezzi ermunterten Krug sogar noch zu einer späten gesamtdeutschen Sänger-Renaissance. Mit Till Brönner nahm er 2000 ein wunderbares Jazz-Album auf. Aus "Raindrops keep falling on my head" wurde in Krugscher Kürze: "Wenn's regnet" - schnoddrig schön.

 Daumen rauf: Auch der Trucker Franz Meersdonk in „Auf Achse“ war ein Paradeauftritt für Krug. Foto: Jörg Schmitt/dpa

Daumen rauf: Auch der Trucker Franz Meersdonk in „Auf Achse“ war ein Paradeauftritt für Krug. Foto: Jörg Schmitt/dpa

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 Wohl Krugs größte Rolle: als Polier Balla in Frank Beyers Defa-Klassiker „Spur der Steine“ 1966. Foto: kinowelt

Wohl Krugs größte Rolle: als Polier Balla in Frank Beyers Defa-Klassiker „Spur der Steine“ 1966. Foto: kinowelt

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Apropos Regen. So einem wie Manfred Krug verzieh man letztlich sogar, dass unzählige Klein-Aktionäre, die Mitte der 90er auf seine Werbe-Empfehlung vertrauten und "T-Aktien" kauften, plötzlich im Regen standen. Die Aktien rauschten in den Keller, Krug aber hatte wenigstens die Größe, sich später öffentlich dafür zu entschuldigen. Eine Größe, die der Telekom übrigens völlig abging.

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