Die Liebe, eine Himmelsmacht

Saarbrücken · Ein kleiner feiner französischer Film in Schwarzweiß. Ein aufwendiges Melodram in bunten Farben. Eine sechsstündige Biografie: drei DVD-Empfehlungen für den Heimkino-Abend.

 Die große Liebe? Pierre (Stanislas Merhar) und Manon (Clotilde Courau) sind sich in Philippe Garrels exzellentem Film „Im Schatten der Frauen“ nicht immer sicher. Foto: Schwarzweiß Film

Die große Liebe? Pierre (Stanislas Merhar) und Manon (Clotilde Courau) sind sich in Philippe Garrels exzellentem Film „Im Schatten der Frauen“ nicht immer sicher. Foto: Schwarzweiß Film

Foto: Schwarzweiß Film

Tiefe ist nicht immer gleich Länge. Gerade mal etwas über 70 Minuten dauert der französische Film "Im Schatten der Frauen", erzählt seine Geschichte schnörkellos und überlässt den Zuschauer dann seinen Gefühlen, die der Film ziemlich aufgewühlt hat. Die Geschichte ist ganz einfach, fast banal. Pierre und Manon sind ein Paar, leben und arbeiten zusammen in einer Wohnung, dessen Tapeten sich langsam ablösen: Die Arbeit als Dokumentarfilmer bringt eben wenig ein, weswegen Manon sich nebenbei in einer Schulkantine verdingt. Das Paradies ist das nicht, aber so könnte es weitergehen bei den beiden - doch Pierre beginnt eine Affäre mit der Doktorandin Elisabeth, verschweigt sie und versucht, sein Gewissen mit klassisch männlicher Doppelmoral zu beruhigen: So sind Männer eben - was kann ich dafür, dass ich ein Mann bin? Diese Doppelmoral steigert er noch in lichte Höhen, als er erfährt, dass seine Freundin ebenfalls eine Affäre hat. Das lässt ihn zusammenbrechen und an der wahren Liebe zweifeln.

Eine leichte Tragikomödie à la Klischee-Française hätte man daraus machen können, mit sommerlich bunten Paris-Bildern. Regisseur Philippe Garrel (68), dessen Filme wie "That summer" oder "La naissance de l'amour" eher bei Festivals denn in deutschen Kinos laufen, erzählt das aber mit atmosphärischen Schwarzweißbildern, beweglicher Kamera, mit manchmal schmerzhaft treffenden Dialogen und guten Darstellern. Jede Figur erscheint schlüssig, man versteht, warum sie das tun, was sie tun - selbst Pierre, der in seiner Selbstgerechtigkeit ein ziemliches Beziehungswürstchen ist. Schwere Konflikte werden hier filmisch mit meist leichter Hand ausgetragen, das ist anrührend, durchweg bittersüß und am Ende immerhin hoffnungsvoll - aber nicht mit anbiederndem Happy End. (Die DVD ist bei Good!Movies erschienen).

Erst 2004, 62 Jahre nach dem Tod der Autorin in Auschwitz, erschien der unvollendete Roman "Suite francaise" von Irène Némirovsky - er erzählt von der Flucht des Pariser Bürgertums im Juni 1940 vor den Deutschen ins französische Hinterland. Dort verliebt sich eine Französin der Oberschicht in einen deutschen Offizier, der bei ihr zwangsweise einquartiert wird. Saul Dibbs Verfilmung "Suite francaise" (mit dem schlimmen Untertitel "Melodie der Liebe") erzählt davon mit viel Aufwand, einigen eindringlichen Bildern und einer guten Besetzung. Michelle Williams spielt eine junge Frau, die unter der schmerzhaft standesbewussten Schwiegermutter (Kristin Scott Thomas) leidet und langsam für den deutschen Offizier entbrennt (ihr Gatte ist im Arbeitslager). Die aufkeimende Liebe als Zentrum des Films ist auch seine Schwäche: Arg offensichtlich wird es, wenn der gute Offizier (Matthias Schoenaerts) am Klavier schöne Melodien komponiert, während der böse Offizier (Tom Schilling) Nietzsche deklamiert. Seine Stärken hat der Film aber in den Szenen, die sich um den Liebesplot herumschlängeln: Wenn etwa die französische Oberschicht die armen Landsleute bedenkenlos ausnimmt und die Besatzung nicht nur innerfranzösische Solidarität fördert, sondern auch Denunziantentum und Anbiederung der französischen Führung an die Besatzer (DVD bei Universum Film).

Eine höchst willkommene Neuveröffentlichung auf DVD ist Bernhard Sinkels Fernseh-Mehrteiler "Hemingway" (DVD von Studio Hamburg). Sinkel, Jahrgang 1940, hatte nach Kinofilmen in den 70er Jahren wie "Berlinger" oder "Lina Braake" das Fernsehen und aufwendige Mehrteiler für sich entdeckt. Nach "Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull" (1981) und der Familiensaga "Väter und Söhne" (1986) widmete er sich 1987 dem US-Schriftsteller Ernest Hemingway. In Stacy Keach fand er einen kongenialen Darsteller, dem man Hemingway als potenten Schriftsteller im Paris und Pamplona der 20er Jahre ebenso abnahm wie den depressiv Angeschlagenen in den letzten Lebensjahren. Ein großer bunter Bilderbogen in vier abendfüllenden Episoden - biografisch gegliedert nach Hemingways vier Ehen.

 Michelle Williams im Kriegs- und Liebesmelodram „Suite française“. Foto: Universum

Michelle Williams im Kriegs- und Liebesmelodram „Suite française“. Foto: Universum

Foto: Universum

Eine schöne Beigabe ist ein neueres, 70-minütiges Interview mit Regisseur Sinkel, der mit Bärencharme von der Produktion erzählt, die ihn um die ganze Welt geführt hat. Schade, dass Sinkel in den 90er Jahren mit der Filmerei aufgehört hat.

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