Freundschaft im Quadrat

München · Diese Ausstellung ist ein Glücksfall, zeichnet sie doch einen Dialog auf, der vor 100 Jahren begann – nicht Wort für Wort, aber Bild für Bild. Der Russe Wassily Kandinsky und der Schweizer Paul Klee, die beiden Gründungsväter der abstrakten Kunst, knüpften in Deutschland eine Freundschaft, die auch Kriege und Verfolgung überdauerte. Im Kunstbau des Lenbachhauses ist ihr Bilderdialog jetzt zu bestaunen.

 Kandinskys 1925 gemaltes Bild „Im Blau“. Foto: Kunstsammlung NRW/Walter Klein

Kandinskys 1925 gemaltes Bild „Im Blau“. Foto: Kunstsammlung NRW/Walter Klein

Foto: Kunstsammlung NRW/Walter Klein
 Paul Klees Bild „Übermut“ aus dem Jahr 1939. Foto: Zentrum Paul Klee

Paul Klees Bild „Übermut“ aus dem Jahr 1939. Foto: Zentrum Paul Klee

Foto: Zentrum Paul Klee

"Gestern den Klee kennengelernt, da sitzt schon was in der Seele", so lautet ein Tagebucheintrag des 1866 in Moskau geborenen Wassily Kandinsky . Er lernte den 13 Jahre jüngere Paul Klee aus Bern in jener deutschen Stadt kennen, in die damals viele strebten, die Künstler werden wollten: München . Mit der Gründung der Künstlergruppe "Blauer Reiter" 1911 entdeckten sich Klee und Kandinsky; im damaligen Künstlerdorf Schwabing malten sie ihre Bilder in der gleichen Straße - beide Häuser in der Ainmillerstraße stehen heute nicht mehr. Nach dem Ersten Weltkrieg werden Klee und Kandinsky als Lehrer ans Weimarer Bauhaus berufen, wohnen in einem von Walter Gropius entworfenen Doppelhaus Wand an Wand.

Mit welchem Witz und Humor Klee und Kandinsky diese Freundschaft pflegen, zeigt eine Schwarzweiß-Aufnahme, mit der die Münchner Schau beginnt: Ein Urlaubsfoto am Strand, in Jackett und Mantel, über Kreuz sich die Hände reichend in der Pose des Weimarer Goethe-Schiller-Denkmals. Hier wird ein Bund geistigen Austausches und gegenseitiger Inspiration geschlossen.

Dennoch entwickelt jeder seinen eigenen Stil: Kandinsky widmet sich zuweilen noch märchenhaften Szenen aus russischen Legenden, entdeckt aber auch Münchner Straßen und das Voralpenland, das er mit Genauigkeit und in kräftiger Farbigkeit festhält. Klee dagegen zeichnet im Umland Münchens, ohne das Motiv genau zu verorten. Bereits in den ersten Kojen der Ausstellung wird deutlich: Kandinsky wird zu einem Meister der Farbe, Klee dagegen entwickelt seine Bildideen aus der Linie. Und doch wäre das zu einfach. Denn es entstehen Freundschaftsbilder mit Widmungen, da gibt Klee bestimmte Formen vor wie Treppe, Leiter, Pfeil - und Kandinsky nimmt diese Motive in seinem Gegengeschenk auf.

Kandinsky, dem entschlosseneren Charakter, ging es um die Erneuerung der Kunst aus dem Geist der Abstraktion, der 13 Jahre jüngere Klee hingegen blieb zeitlebens skrupulöser, war jedoch ungleich erfolgreicher Eine besondere Inspirationsquelle war für beide Künstler die Musik: Klee zeichnet bildnerische Analogien zu musikalischen Strukturen, Kandinsky malt Bühnenbilder zum Zyklus "Bilder einer Ausstellung" von Mussorgsky. Aber mindestens ebenso wichtig waren beiden die bahnbrechenden Ideen am Bauhaus , die sich in ihren Kompositionen widerspiegeln. Kugel und Dreieck, Quadrat und Linie schweben auf der Bildfläche und werden in eine ausgewogene Balance gebracht. Die Bauhausjahre beider sind denn auch ein Schwerpunkt der Ausstellung.

Als die Nationalsozialisten die Macht gewinnen, das Bauhaus schließen muss und Kunst wie die von Klee und Kandinsky aus öffentlichen Sammlungen entfernt wird, emigriert Kandinsky nach Paris und besucht den schwerkranken Klee, der nach Bern zurückgekehrt ist. Diese Begegnung bewirkt noch einmal einen Aufschwung: Klee entwirft auf großformatigen Leinwänden ein Spätwerk in kräftigen Farben, Kandinsky gelingt ein Neuanfang in Paris, auf seinen Bildflächen wirbeln feine Linien und biomorphe Formen.

Durch die Zusammenarbeit mit dem "Zentrum Paul Klee " in Bern gelang es dem Lenbachhaus, 200 Werke (!) beider Künstler zu vereinen als Belege einer Künstler-Freundschaft mit all ihrer Vielstimmigkeit, ihrem Gleichklang und ihren Gegensätzen und Rivalitäten.

Bis 24. Januar. Di: 10 bis 21 Uhr; Mi bis So: 10 bis 18 Uhr.

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