Wo die Grenze von Staat und Partei verläuft

Saarbrücken · Analyse Für ihren Rechenauftrag ans Finanzministerium zahlt die Saar-CDU jetzt Geld in die Landeskasse. Die Debatte über solche Fälle ist damit aber nicht beendet.

Im Finanzministerium am Saarbrücker Stadtgraben wird viel gerechnet. Die Mitarbeiter ermittelten in den vergangenen Jahren zum Beispiel, was die SPD-Vorschläge zur Abschaffung der Kita-Gebühren und zur Reform der Erbschaftsteuer, eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes, die Linken-Forderung nach der Vermögensteuer, Vorschläge von CDU/CSU-Finanzpolitikern zur Absetzbarkeit geringwertiger Wirtschaftsgüter oder Forderungen von Gewerkschaften und Wirtschaftsverbänden für den Landeshaushalt bedeuten würden. Finanzminister Stephan Toscani (CDU) erklärte gestern im Haushaltsausschuss des Landtags, diese Art der Politikfolgenabschätzung gehöre nach seiner Überzeugung zum verfassungsrechtlich zulässigen Regierungshandeln.

Das wird niemand bestreiten, auch nicht der jetzt eingeschaltete Gutachter. Natürlich muss ein Finanzminister wissen, wie sich öffentlich diskutierte Ideen finanziell auf das Land auswirken würden. Die CDU blendet aber eines aus: In allen genannten Fällen rechnete das Finanzministerium aus eigenem Antrieb, für interne Zwecke. Bei der Unterstützung der CDU aber half es einer Partei, ihr Wahlprogramm zu erstellen, die Behörde wurde dadurch zum Dienstleister. Das sind völlig unterschiedliche Dinge. Steuergeld ist gewiss nicht dazu da, Dienstleistungen für Parteien zu erbringen. Doch statt langsam die Fahne einzuholen, beharrt die CDU darauf, dass alles in Ordnung war. Warum überweist sie dann jetzt, was natürlich zu begrüßen ist, über 5000 Euro an die Landeskasse?

Toscani sagte gestern, er nehme zur Kenntnis, dass seine Rechtsauffassung angezweifelt werde. Deshalb soll nun ein neutraler Gutachter klären, ob "die bisher von uns geübte Praxis der Politikfolgenabschätzung verfassungsrechtlich zulässig ist". Bis zum Abschluss dieser Prüfung will das Ministerium Anfragen von Parteien nicht bearbeiten - und entgeht so vorerst auch der Peinlichkeit, über einen Antrag der rechtsextremen NPD entscheiden zu müssen. Die hatte sich gemeldet, nachdem Toscani zu seiner Rechtfertigung gesagt hatte, die Rechen-Möglichkeit stehe auch anderen Parteien offen. Es wäre schon damals Zeit für ein glaubwürdiges Krisenmanagement gewesen, aber der Satz machte alles nur noch schimmer.

Der Gutachter soll eine weitere Frage klären: nämlich, ob die beratende Rolle von Ministerien in Sondierungs- und Koalitionsgesprächen zulässig ist. Diese informellen Runden, bei denen regelmäßig die Sphären von Partei und Staat verschwimmen, sind Veranstaltungen von Parteien. Sie treffen die Grundsatzentscheidungen einer jeden Koalition. Um zu wissen, was eine bestimmte Idee das Land kostet, lassen die Parteien bei den Verhandlungen Fachleute der Ministerien rechnen; die kleinen Apparate der Parteien und Fraktionen sind dazu gar nicht in der Lage. Dies wurde bislang nicht beanstandet, obgleich hier Regierungsmitarbeiter für Parteien tätig sind - allerdings, und dies mag den Unterschied ausmachen, außerhalb des Wahlkampfs. Es wäre absurd, wenn für solche Verhandlungen künftig Wirtschaftsprüfer engagiert werden müssten.

Sollte der Gutachter zu dem Ergebnis kommen, dass diese Praxis unzulässig ist, hätten die Parteien nach der Landtagswahl ein Problem. Sollte er den Auftrag der CDU zum Durchrechnen ihres Programms für unzulässig erklären, würde das niemandem wehtun: Die CDU wird einen solchen Auftrag wohl kein zweites Mal erteilen, und vor ihr ist ohnehin nie jemand auf diese Idee gekommen.

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