Überfällige Regeln gegen perverse Gehälter

Der als soziale Marktwirtschaft warm verpackte Kapitalismus ist weit leistungsfähiger als die Staatswirtschaft. Der Beweis dafür wurde erbracht, zuletzt von der DDR. Der Anreiz, Geld zu verdienen, ist eine starke Triebfeder für Effizienz, Fortschritt und Wohlstand. Deshalb wird dieser Anreiz akzeptiert und damit auch die Ungleichheit der Einkommen. Bei Fußballern, Musikern oder Filmschauspielern wächst sogar der Stolz des Publikums auf seine Idole, je mehr sie verdienen. Weil dadurch das Gefühl entsteht, dass man für eine tatsächlich erbrachte Leistung bezahlt.

Wenn es bei Managern allerdings gar nicht die Leistung ist, sondern Kumpanei in Aufsichtsräten, die zu Millionen-Gagen und Skandal-Abfindungen selbst im Fall des Scheiterns führt, dann gerät diese Legitimation ins Wanken. Gleiches gilt, wenn die Summen, die sich die Herrschaften in den oberen Etagen selbst bewilligen, in perverser Weise vom normalen Leben abgekoppelt sind. Zehn Millionen Jahresgehalt sind pervers, hundert Millionen, wie man sie in den USA kennt, erst recht. 3100 Euro Tagesrente für Ex-VW-Chef Winterkorn - solche Auswüchse werden dem System auf Dauer seine Grundlage entziehen, nämlich die mehrheitliche Zustimmung der Menschen.

Mit Neid hat die Kritik an dieser Entwicklung nichts zu tun, viel dagegen mit ursprünglichem Leistungsdenken und mit Gerechtigkeitsgefühl. Weil die Relationen nicht mehr stimmen. Freilich, wenn das System das selbst nicht begreift, ist wenig zu machen, denn auch in einer sozialen Marktwirtschaft kann es keine staatlich bestimmten Gehälter geben. Das wäre ein Widerspruch in sich. Die SPD hat das eingesehen, sie verzichtet auf eine Obergrenze. Was sie jetzt vorschlägt, ist eine Minimal-Korrektur und längst überfällig.

Dass Aktionäre wissen und bewilligen, was die Vorstände in Summe kassieren, ist aus Sicht der Anteilseigner nur konsequent: Die Einkommen schmälern ja ihren Gewinn. Und der Staat muss hohe Gehälter nicht auch noch über die steuerliche Absetzbarkeit mitfinanzieren. Die Union sollte nicht zögern, die Reform mitzutragen. Schon um den falschen Eindruck zu vermeiden, nur die Sozialdemokraten hätten an dieser Stelle ein sozial gerechtes Gewissen zu haben. Das haben sie ausweislich der Fälle bei VW, die unter gnädiger Zustimmung von SPD-Politikern und Gewerkschaftern möglich wurden, ausdrücklich nicht.

Mit einer solchen Mini-Reform aber sind die Regelungsmöglichkeiten weitgehend ausgeschöpft. Deshalb muss sich eine Gesellschaft, die sich soziale Marktwirtschaft nennt, darüber Gedanken machen, wie sie es verhindern kann, dass die Ungleichheit über diesen Mechanismus immer weiter zunimmt. Innerhalb der Systemgrenzen bleibt eigentlich nur ein Hebel: die stärkere Besteuerung hoher Erbschaften. Denn dies sind Einkommen, denen von Seiten des Erben absolut keine Leistung gegenübersteht. Null.

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