Kurz vor der Wahl sehen viele Grüne schwarz

Düsseldorf · Analyse Magere Umfragewerte, große Unzufriedenheit mit der Spitzenkandidatin: In Nordrhein-Westfalen läuft es für die Grünen momentan alles andere als rund.

 Sylvia Löhrmann ist in ihrer Partei umstritten wie nie. Foto: dpa

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"Wer nicht hart im Nehmen ist, sollte den Job gar nicht erst übernehmen." Trotzig kommentiert Sylvia Löhrmann die getrübten Aussichten für die nordrhein-westfälische Landtagswahl Mitte Mai. Die Spitzenkandidatin der Grünen hat derzeit große Sorgen. Im jüngsten Politbarometer ist ihre Partei erstmals hinter die FDP zurückgefallen. Und das rot-grüne Regierungsbündnis hat in Umfragen ohnehin seit langem keine Mehrheit mehr.

Am Dienstag fährt Löhrmann in Düsseldorf ein teures Bildungsprogramm mit geplanten Wohltaten für Schüler, Eltern und Lehrer auf - mehr flexible Ganztagsangebote, Beitragsfreiheit für arme Familien, höhere Lehrergehälter. Kosten: bis zu einer Milliarde. Die Schulpolitik der Ministerin ist umstritten - teils auch in Reihen der eigenen Koalition. Bei ihrer Wahl zur Spitzenkandidatin hatte Löhrmann im Herbst mit knapp 81 Prozent ein deutlich schlechteres Ergebnis eingefahren als mit den satten 98 Prozent 2012.

Den Kampf gegen das "Turbo-Abitur" konnte die Schulministerin in den sieben Jahren ihres Amtszeit nicht befrieden. Gegner mobilisieren inzwischen sogar für ein Volksbegehren. Der gesetzlich verordnete gemeinsame Unterricht für Kinder mit und ohne Behinderung läuft nicht rund. Hinzu kommen Dauerklagen über Unterrichtsausfall und unbesetzte Lehrerstellen. In Rotschrift schreibt ein "Aktionsbündnis Schule" aus Lehrer- und Elternverbänden der Ministerin am Dienstag ins Zeugnis: "Korrekturen sind unerlässlich!"

Kann es sein, dass die Politik der Spitzenkandidatin kein Gewinner-Thema ist für ihre Partei? Das lässt die resolute 59-Jährige natürlich nicht gelten. "Grüne Bildungspolitik ist ein Beitrag zu mehr Bildungsgerechtigkeit und zu Veränderungen, die anstehen", gibt sie zurück. "Inklusion ist eine Generationenaufgabe." Viele Eltern nähmen das auch wahr und seien dankbar für die Rechtssicherheit. Seit der Regierungsübernahme 2010 sei der Schuletat stetig gewachsen.

Bange machen gilt also nicht drei Monate vor der Wahl. Löhrmann gibt sich kämpferisch: "Alle kennen meine Steher- und Kämpferqualitäten." Aber was können die Grünen umsetzen mit nur sieben Prozent Zustimmung in der Wählergunst? Löhrmann schließt nichts aus außer ein Bündnis mit der AfD. Allerdings wäre sowohl Rot-Rot-Grün als auch ein schwarz-grünes Bündnis mit der CDU von Armin Laschet alles andere als eine Wunschkonstellation für Löhrmann. Dass FDP-Chef Christian Lindner eine Ampel ausschließt, versteht sie nicht: "Wovor hat er Angst?"

Trotz der mageren Umfragewerte und des starken Gegenwindes denkt die grüne Frontfrau mit Blick auf die Landtags- und Bundestagswahlen weiter groß. "Ich glaube, es kann ein Schub entstehen, wenn in Nordrhein-Westfalen Rot-Grün bestätigt wird - und das ist nicht aussichtslos." Ungläubiges Schweigen bei den Journalisten. Und dann legt Löhrmann nach. Vor der rot-grünen Minderheitsregierung 2010 hätten die Grünen nur in drei kleinen Ländern mitregiert. "Heute regieren wir in elf Bundesländern. Und dieser Auftrieb für die Grünen ist entstanden, weil ich die Minderheitsregierung wollte." Auch diesmal schließt die erfahrene Polit-Strategin eine Minderheitsregierung von SPD und Grünen nicht aus. Das lässt aufhorchen. An Selbstvertrauen mangelt es Löhrmann jedenfalls nicht.

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