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Azubi Atlas Wenn Ängste die Seele auffreßen

  

Foto: Privat

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Im Februar 2018 veröffentlichte die ÄrzteZeitung einen alarmierenden Report. Demnach werden bei immer mehr jungen Erwachsenen psychische Erkrankungen festgestellt. Die Diagnose „Depressionen“ habe seit 2005 um 76 Prozent zugenommen, so der Report. Wir haben mit der Psychologin Denise Mönch aus Saarbrücken darüber gesprochen.

AzubiAtlas: Hallo Denise, da wir uns auch persönlich kennen, gehen wir doch gleich zum Du über. In deiner Praxis kümmerst du dich vor allem um die Sorgen und Ängste von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Ist es denn tatsächlich so, dass die psychischen Erkrankungen in dieser Altersstufe zugenommen haben? Und wenn ja, woran liegt das deiner Meinung nach?

Denise Mönch: Ich würde das so nicht direkt bestätigen. Im Gegensatz zu der Zeit vor 30 oder 40 Jahren ist das Thema heute mehr in die Öffentlichkeit gerückt und dazu bei den Jugendlichen selbst schon lange kein Tabuthema mehr. Zwar habe ich alle Hände voll zu tun, nehme täglich mehrere Anrufe von Hilfesuchenden entgegen, aber das zeigt nur, dass es noch immer nicht genügend Hilfsangebote gibt.

AzubiAtlas: Was müsste besser und wer vor allem sollte hier aktiver werden?

Denise Mönch: Ganz eindeutig muss in den Schulen etwas passieren. Die Lehrkräfte müssen pädagogisch besser geschult werden. Es braucht ein ständiges und stärkeres Angebot einer Notfallbetreuung an den Schulen. Auch wenn es hier und da bereits gute Ansätze und auch engagierte, kompetente Lehrkräfte gibt. Da ist noch sehr viel Luft nach oben.

AzubiAtlas: Erkennen die Jugendlichen eigentlich selbst, wenn sie psychische Probleme haben?

Denise Mönch: Auf jeden Fall. Ich sehe das auch immer in meiner Praxis. Die Jugendlichen kommen auf Eigeninitiative und wissen, dass „etwas nicht stimmt“. Das tun sie ohne ihre Eltern im Schlepptau, denn oft sind die Ursachen für die Sorgen und Ängste in den Familien selbst begründet.

AzubiAtlas: Kommen wir doch auf die Ursachen zu sprechen. Welche sind das zumeist?

Denise Mönch: Die sind natürlich äußerst vielfältig. Passivität, das Bedürfnis nach ständigem Konsum von außen, die krankhafte Neigung dazu, Pausen unbedingt füllen zu müssen und den Selbstwert ausschließlich aus der Arbeit zu schöpfen, sind nur einige der Ursachen, die sich von den Eltern oft auch auf die Jugendlichen übertragen.

AzubiAtlas: Am Coronavirus und am Lockdown geht auch in diesem Interview kein Weg vorbei. Wird die Schließung der Schulen Auswirkungen auf die Jugendlichen haben?

Denise Mönch: Das lässt sich natürlich nicht sofort beantworten, aber ich denke, dass die meisten Schülerinnen und Schüler das gut wegstecken und nach der Wiederöffnung der Schulen recht schnell wieder in den normalen Modus schalten. Nur diejenigen, die ohnehin schon vereinsamt oder isoliert waren oder sich selbst isoliert haben, werden das während eines Lockdowns noch stärker erleben.

AzubiAtlas: Was kannst du ganz konkret gegen eine drohende Vereinsamung empfehlen?

Denise Mönch: In jedem Fall die Kontakte aufrechterhalten. Egal wie. Auch ein Telefonat ist ein Kontakt. Zum Glück haben wir die Möglichkeiten, uns auch per Videochat sehen zu können. Und einem Spaziergang mit dem Freund oder der Freundin steht ja auch nichts im Weg.

AzubiAtlas: Kann die Pandemie irgendwie auch etwas Gutes hervorbringen?

Denise Mönch: Vor ziemlich genau einem Jahr habe ich in einem Interview davon gesprochen, dass die „Pause“ beim Einzelnen vielleicht kreative Denkprozesse in Gang setzen könnte. Und dass die Familien enger zusammenrücken. Heute muss ich leider eingestehen, dass ich mich getäuscht habe.

Das Interview führte Dieter Steinmann

Quellenangaben: Zum Report „38 Prozent mehr psychische Diagnosen bei jungen Erwachsenen“: www.aerztezeitung.de

Zum Interview mit dem SR vom 20.03.2020 „Warum eine Ausgangssperre auch eine Chance sein kann“: www.sr.de

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