Zuversicht für Griechenland FDP plädiert für Ausweitung der britischen Börsensteuer Griechische Behörden veröffentlichen Liste der Steuersünder

Brüssel. Die Verhandlungen Griechenlands für einen Schuldenschnitt stehen offenbar vor einem Durchbruch. Führende Vertreter europäischer Großbanken sagten gestern der SZ: "Noch in dieser Woche und damit rechtzeitig vor dem EU-Gipfel in der nächsten Woche wird der Schuldennachlass unter Dach und Fach sein

Brüssel. Die Verhandlungen Griechenlands für einen Schuldenschnitt stehen offenbar vor einem Durchbruch. Führende Vertreter europäischer Großbanken sagten gestern der SZ: "Noch in dieser Woche und damit rechtzeitig vor dem EU-Gipfel in der nächsten Woche wird der Schuldennachlass unter Dach und Fach sein." Auch EU-Währungskommissar Olli Rehn zeigte sich zuversichtlich, dass "wir die Verhandlungen abschließen können, vorzugsweise noch in dieser Woche".Vertreter von rund 400 Banken, Versicherungen und anderen privaten Gläubigern bemühen sich derzeit in Athen um eine Einigung, mit der Athen rund 100 Milliarden Euro erlassen werden sollen. Nur unter dieser Voraussetzung will die EU ihr zweites Hilfspaket für Griechenland mit einem Umfang von 130 Milliarden Euro in Kraft setzen. Bereits im März braucht die Griechenland weitere 15 Milliarden Euro, um Verbindlichkeiten zu bedienen. An den Verhandlungen ist auch der Internationale Bankenverband (IIF) beteiligt. Der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos sagte gestern vor dem Treffen mit seinen Euro-Gruppen-Amtskollegen: "Wir haben eine sehr konstruktive Zusammenarbeit mit dem Privatsektor. Wir sind bereit, das Verfahren termingerecht abzuschließen."

Eine Woche vor dem entscheidenden Spitzentreffen der 27 EU-Staats- und Regierungschefs wächst der Druck auf die Bundesregierung, mehr Geld für den künftigen Europäischen Krisenmechanismus (ESM) zur Verfügung zu stellen. Er soll um ein Jahr vorgezogen werden und mit seinen 500 Milliarden Euro schon ab Mitte 2012 parallel zum Rettungsschirm mit 440 Milliarden zur Verfügung stehen.

Italiens Ministerpräsident Mario Monti fordert einem Medienbericht zufolge, die Ausleihkraft des ESM auf eine Billion Euro zu verdoppeln. Auch die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, verlangte eine deutliche Ausweitung. "Wir brauchen eine größere Brandmauer", sagte sie gestern mit Blick auf die Schuldenkrise. Lagarde plädierte dafür, die Mittel des im Sommer auslaufenden Hilfsfonds EFSF dem Nachfolger ESM zur Verfügung zu stellen. Auch der IWF sei bereit, zu helfen, sagte Lagarde. Sie sei "davon überzeugt", dass der IWF seine Kreditvergabekapazität erhöhen müsse. Sie bezifferte den zusätzlichen Bedarf an Krisenhilfen auf rund eine Billion Dollar in den nächsten Jahren. Die Europäer haben 200 Milliarden Euro zusätzlich zugesagt.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) lehnt eine Aufstockung weiter strikt ab. Sie sprach sich stattdessen dafür aus, den neuen Vertrag über eine Stabilitätsunion "streng" zu fassen. Doch das Vorhaben ist in Gefahr. Die deutschen Unterhändler hatten in den letzten Tagen alle Hände voll zu tun, um Abschwächungen und "Unschärfen" aus der Vorlage wieder auszumerzen, bestätigten Regierungskreise.

Seit gestern Abend verhandeln die Finanzminister der Euro-Gruppe über die Bestimmungen, mit denen Schuldensünder ab 2013 abgeschreckt oder schärfer bestraft werden sollen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wollte sich vor allem darum bemühen, dass eine Schuldenbremse nach deutschem Vorbild in allen Ländern Verfassungsrang bekommt. Zudem soll die Kommission künftig die nationalen Etat-Entwürfe prüfen und notfalls auch Änderungen durchsetzen können. dr/dpa/afp

Berlin. Die Liberalen wollen mit einem Alternativvorschlag den Streit in Europa über eine Finanztransaktionssteuer entschärfen. Da Großbritannien eine solche Steuer ablehne, könnten eine Bankenabgabe nach deutschem Vorbild und die britische Börsensteuer auf bestimmte Aktiengeschäfte eine gute Diskussionsgrundlage sein, sagte gestern FDP-Chef und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler. Die EU solle mit dem Angebot, die in London übliche "Stempelsteuer" auf Europa auszuweiten, eine Gesprächsgrundlage herstellen. Eine europäische Finanzmarktregelung ohne Großbritannien schloss Rösler erneut aus und stellte sich damit gegen Kanzlerin Angela Merkel. Sie hatte die Einführung einer Finanztransaktionssteuer notfalls auch nur in der Euro-Zone erwogen. Ohne Zustimmung der FDP ist dies aber nicht umsetzbar. dapd

Athen. Griechische Behörden haben die Namen von fast 4000 Steuersündern veröffentlicht. Die Liste ist Teil einer Kampagne gegen Steuerbetrug. Finanzbeamte räumten ein, dass es schwierig sein wird, die 15 Milliarden an ausstehenden Steuern einzutreiben. Oben auf der Liste steht ein Steuerberater, der eine Haftstrafe von über 100 Jahren wegen Steuerhinterziehung verbüßt. Er soll dem Staat über 950 Millionen Euro schulden. dapd

Foto: Zinken/dapd

"Wir brauchen eine größere Brandmauer."

IWF-Chefin Christine Lagarde

Meinung

Mehr Nüchternheit

Von SZ-KorrespondentDetlef Drewes

Zu den unbegreiflichen Ritualen dieser Schuldenkrise gehört der nahezu tägliche Wettlauf um die höchsten Zahlen: Wie viel Geld brauchen Rettungsschirm und Krisenmechanismus? 500 Milliarden, 700 Milliarden, eine Billion oder mehr?

Der Blick auf die Fakten ergibt ein ganz anderes Bild: Von den 440 Milliarden des Rettungsschirms sind bislang 43,5 Milliarden Euro ausgegeben worden. Ein weiterer Hilfsantrag ist nicht in Sicht. Und die Hilfe für Griechenland wird aus einer ganz anderen Kasse bezahlt.

Es ist in dieser Situation richtig, sich den strukturellen Reformen zuzuwenden, aber es ist unvernünftig, die Krise größer zu reden, als sie ist. Nüchternheit tut Not.

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