Wenn man früher anderen Autofahrern an Engstellen die Vorfahrt schenkte, bedankten sie sich mit Handzeichen. Das tun sie heute kaum noch. Hobby-Philosophen sagen, das hänge mit sozialer Kälte zusammen. Andere Beobachter behaupten, es komme von liderlicher Fahrschulausbildung. Die mit der Vorfahrt Beschenkten waren demzufolge der Annahme, dass ihnen diese Vorfahrt zustand, also brauchten sie auch nicht freundlich zu winken. Unter den Ignoranten sind überdurchschnittlich viele Männer mit Poloshirt, deren Kragen hochgestellt wurde. Solche kuriosen, am Ende meist erschreckend banalen Zusammenhänge des Alltags werden immer offenkundiger, und es macht Laune, sie zu beobachten. Von Versandhändlern weiß man, dass männliche Besteller von Büchern zur Beschleunigung des Glücklichwerdens gern auch Schuhe für 219 Euro kaufen, auf denen sie im Stehen hin- und herwackeln, damit der Rückenmuskel gestärkt werde. Ihre Frauen sind oft leicht überkatholisiert, von schwarz arbeitenden Friseurinnen blond gesträhnt und tragen dertig viel Geld lieber ins Fitness-Studio, wo sie die Poloshirt-Träger treffen, mit diesen aber selten über Verkehrsverstöße sprechen. Sondern über Urlaub und harmlose Obsessionen. Eine Saarländerin in Identitätskrise und mittleren Jahren, als Herzarztgattin in Bayern lebend, überraschte dieser Tage mit dem öffentlichen Bekenntnis, sie sei süchtig nach Zuchtperlen, die sie übrigens bei der Frau eines ehemaligen deutschen Botschafters einkaufe. Die Arztfrau ist sicher, dass ihr die Perlen an der Engstelle des Lebens zustehen. Sie ist aber nicht so undankbar wie die Autofahrer, sondern betreibt die Gründung einer Selbsthilfegruppe - nicht für sich, sondern für den Ehemann, der das Ganze bezahlt. Der hat sich noch nicht geäußert, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass er mit dem Ex-Botschafter einen gemeinsamen Urlaub ausheckt.