Zu Gast im Chinarestaurant Mykonos

Saarbrücken · Auf seiner scheinbar nie endenden Tournee hat Helge Schneider mal wieder Station in Saarbrücken gemacht. In der Saarlandhalle bot er seinem Publikum am Samstagabend zwei Stunden Anarcho-Humor vom Feinsten.

Wie muss es sich nur anfühlen, auf einer Bühne zu stehen, wissend, dass die Massen in hysterischem Gejohle ausbrechen, egal, was man sagt oder tut? Für Helge Schneider scheint die Situation mittlerweile Routine geworden zu sein. Wie es dem mittlerweile 58-Jährigen über die Jahrzehnte hinweg gelungen ist, das Publikum regelrecht zu erziehen, ist bemerkenswert. Man konnte das am Samstagabend in der Saarbrücker Saarlandhalle wieder einmal bewundern: Keine "Katzeklo"-Sprechchöre wie noch vor Jahren, keine Störer, denen Schneiders Jazz-Einlagen zu lange dauerten. Stattdessen: eine herzliche, ausgelassene Stimmung, die sich offenbar auf "Pretty Joe & Die Dorfschönheiten", wie sich Schneider und seine sechsköpfige Band neuerdings nennen, übertrug.

In marineblauem Anzug mit rotem Einstecktüchlein und obligatorischem Fiffi auf dem Kopf tanzte, grimassierte und vor allem improvisierte sich Schneider durch den Abend, zerstörte dabei lustvoll jede sich anbahnende Pointe, indem er einer Geschichte einfach einen weiteren absurden Dreh verpasste. Da wurde eine "Impression aus dem Chinarestaurant Mykonos" zum akustischen Ausflug in den Asia-Schnell-Imbiss von nebenan inklusive typisch nöligem Klangteppich; da fabulierte Schneider über "Brustverlängerungen" und andere bizarre schönheitschirurgische Eingriffe; oder er besang den altbekannten "Meisenmann", der sich virtuell mit einer Kuckucks-Dame vermählt, die sich wiederum auf Facebook als Victoria Beckham ausgibt. Wenn Schneider dazu ein paar Richard-Clayderman-Zitate am Klavier einstreut und seinen vollbärtigen "Ausdruckstänzer" Sergej Gleithman - eine Art Catweazle im Ganzkörperkostüm - in pantomimischer Ekstase Flugübungen vollziehen lässt, ist man einfach nur beglückt ob einer solch ungezähmten Bühnen-Anarchie.

Dass diese Feier des Absurden in Zeiten zotiger Brachial-Comedy-Kost solch einen Zuspruch findet, ist erfreulich. Das Saarbrücker Publikum jedenfalls, das von Schneider in einem letzten Anfall von Fabulier-Wahn für den Mut gelobt wurde, in "dieser für Nordkorea strategisch so immens wichtigen Stadt" zu leben, dankte mit tosendem Applaus.

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