Zoll kontrolliert weniger Betriebe

Berlin/Saarbrücken · Seit 2015 gilt der gesetzliche Mindestlohn. Doch ausgerechnet im vergangenen Jahr wurden deutlich weniger Firmen von Fahndern geprüft. Kein Problem, sagt das Finanzministerium. Es gehe nicht um maximale Prüfzahlen, man wolle lieber die dicken Fische fangen.

Die Finanzbehörden haben 2015 deutlich weniger Betriebe auf Einhaltung des Mindestlohns kontrolliert als im Vorjahr. Die beim Zoll angesiedelte Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) überprüfte nach Angaben der Bundesregierung im vergangenen Jahr knapp 43 637 Betriebe. 2014 seien es noch 63 014 gewesen, wie aus einer Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage der Grünen im Bundestag hervorgeht.

In der für Lohndumping besonders anfälligen Baubranche sei die Zahl der Kontrollen sogar um fast die Hälfte auf knapp 17 000 Arbeitgeber gesunken. Die Grünen nannten es absurd, dass gerade im ersten Jahr der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns weniger Betriebe kontrolliert wurden. Zahlen für das Saarland wollte das Hauptzollamt in Saarbrücken nicht nennen. Die würden im April bekanntgegeben. 2014 hatte der Zoll im Saarland 1500 Mal Arbeitgeber geprüft, fast 3000 Strafverfahren sowie mehr als 1000 Bußgeldverfahren eingeleitet.

Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums betonte, dass nicht die bloße Zahl der Überprüfungen entscheidend sei. Vielmehr gehe es darum, die "dicken Fische " zu bekommen. 2015 seien die Kontrollen auf einen "risikoorientierten Ansatz" umgestellt. Demnach würden die vorhandenen Ressourcen nicht für eine Maximierung der Kontrollzahlen genutzt. Ziel sei es, die großen Betrugsfälle aufzudecken. So sei die Zahl der eingeleiteten Ermittlungsverfahren "wegen Strafverfahren" gestiegen. Bei den Kontrollen werde ein verstärkt qualitativer Ansatz verfolgt, begründete die Generalzolldirektion die gesunkenen Zahlen. Die Überprüfungen in den größeren Fällen würden viel Zeit beanspruchen.

Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt forderte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU ) auf, die FKS zu stärken. "Das Wegbrechen von knapp der Hälfte aller Kontrollen des Branchenmindestlohns am Bau übersteigt unsere schlimmsten Befürchtungen", sagte der Vorsitzende Robert Feiger. "Diese viel zu geringe Kontrolldichte ist geradezu eine Einladung für betrügerische Betriebe, ihre Beschäftigten illegal im Lohn zu drücken. Das ist schlecht für die Bauarbeiter, und es ist katastrophal für einen sauberen Wettbewerb in der Branche."

Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit prüft mit gut 6800 Mitarbeitern bundesweit die Einhaltung von Mindestlöhnen und geht auch gegen Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung vor. Gewerkschaftsvertreter beklagen seit Jahren eine zu geringe Personalausstattung. Von den für 2015 vorgesehenen 6865 Planstellen waren nach Angaben des Ministeriums rund 600 nicht besetzt. Die 1600 zusätzlichen Planstellen, die es zur Mindestlohn-Kontrolle geben soll, würden erst in den Haushaltsjahren 2017 bis 2022 zur Verfügung gestellt.

Im vergangenen Jahr hatten Zollfahnder der FKS nach Regierungsangaben 705 Ermittlungsverfahren wegen "Nichtgewährung des gesetzlichen Mindestlohns" sowie 2061 Ermittlungsverfahren wegen "Nichtgewährung branchenspezifischer Mindestlöhne" eingeleitet. Die dazu verhängten Bußgelder beliefen sich auf 0,2 Millionen beziehungsweise 14,8 Millionen Euro.

Insgesamt wurden 2015 von der FKS 128 432 Ermittlungsverfahren eingeleitet - nach 137 292 im Jahr davor. Dieser Rückgang insgesamt beruht darauf, dass es weniger Ermittlungsverfahren wegen Ordnungswidrigkeiten gab. Die gesamten Geldbußen beliefen sich auf 43,4 Millionen Euro. Im Jahr 2014 waren es 46,7 Millionen Euro.

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