Zeit ist kostbar

Frankfurt. Auf dem Weg zum ICE, der Saarbrücken mit Paris in rasend schneller Fahrt verbindet, noch flott ein paar E-Mails auf dem Smartphone schreiben. Weil es kalt ist, gibt es einen "Coffee-to-go" und ein bisschen Fast Food gegen den Hunger - so sieht unser alltäglicher Wahnsinn aus. Unser Leben besteht inzwischen vor allem aus Zeitmanagement

 Mehr Zeit dank neuer Fertigprodukte: Maggi-Werbeschild von 1902. Foto: Maggi GmbH

Mehr Zeit dank neuer Fertigprodukte: Maggi-Werbeschild von 1902. Foto: Maggi GmbH

Frankfurt. Auf dem Weg zum ICE, der Saarbrücken mit Paris in rasend schneller Fahrt verbindet, noch flott ein paar E-Mails auf dem Smartphone schreiben. Weil es kalt ist, gibt es einen "Coffee-to-go" und ein bisschen Fast Food gegen den Hunger - so sieht unser alltäglicher Wahnsinn aus. Unser Leben besteht inzwischen vor allem aus Zeitmanagement. Wir sind Getriebene unseres Kalenders. Zeitabläufe zuhause und im Büro müssen immer effektiver gestaltet werden, immer mehr Dinge müssen immer schneller erledigt werden.

Anhand von 250 Exponaten zeigt diese Ausstellung, wie sehr uns das Phänomen "Zeit" im Griff hat. Mit der Verbreitung der Uhr und des Kalenders in der frühen Neuzeit begann der Wettlauf mit der Zeit. Am Anfang war es vor allem die Post- und Personenbeförderung, die schneller funktionieren sollte. Man baute ein Netz aus Poststationen, wo die Pferde ausgewechselt wurden. So hatte man stets ausgeruhte Tiere zur Verfügung und musste nicht mehr rasten. Das Aufkommen der Eisenbahn führte zu einer Beschleunigungsrevolution. Im 20. Jahrhundert setzte schließlich der Siegeszug des Autos und des Flugzeugs ein, und wir können seither im Eiltempo rund um die Welt reisen.

Eine immer größere Bedeutung bekam im 18. Jahrhundert die Nachrichtenübermittlung. Findige Ingenieure versuchten, große Entfernungen möglichst schnell zu überbrücken. Die Telegrafie war ein erster großer Fortschritt, innerhalb der Großstädte wuchsen Ende des 19. Jahrhunderts dann gigantische Rohrpostnetze. Das Telefon machte schließlich eine schnelle Informationsübermittlung für jeden möglich.

Immer ausgeklügelter wurde das System der Optimierung und griff schließlich auch auf die Arbeitswelt über. Zeit wurde zu einem Wirtschaftsfaktor, die Uhr zum unentbehrlichen Steuer- und Überwachungselement in allen Arbeitsprozessen. So wurde die Arbeitswelt immer effizienter, und um uns den Alltag in Zeiten gesteigerter Arbeitsmobilität angenehmer zu machen, entstanden "Medien-to-go": der MP3-Player, die tragbare Spielekonsole und der Laptop. Das Handy machte schließlich auch das Telefonieren an jedem Ort der Welt möglich.

Die Ausstellung beginnt mit einem Karussell aus Produkten vom Haushaltsreiniger bis zur Tütensuppe. Alle gaukeln uns schon mit Namensbestandteilen vor, dass wir mit diesem Produkt besonders fix sind: mit "express", "tempo" oder "schnell" in den Markennamen vor. Dass diese Schnelligkeit im Haushalt nicht neu ist, beweist eine handschriftliche Notiz in der Ausstellung: Kein geringerer als Goethe beschrieb 1825 einen Kaffeeautomaten, der im Handumdrehen frischen Kaffee brühte.

Dass die Beschleunigung unseres Alltages nicht nur positiv ist, erkannte man schon im ausgehenden 19. Jahrhundert, als erste wissenschaftliche Publikationen den Stress als Auslöser für nervliche Erkrankungen benannten. Die Pharmaindustrie reagierte darauf gleich doppelt: Sie bietet uns seither Produkte an, die uns leistungsfähiger machen. Und weil wir deshalb gestresst sind, bietet man uns auch gleich Entspannungsbäder, Beruhigungsmittel und Aufbaupräparate an.

Damit man einen Überblick über die verbrauchte Lebenszeit während des Ausstellungsbesuches hat, darf man sich am Eingang einen Zeitstempel an einem Automaten holen, den man beim Hinausgehen erneut abstempeln kann. Wie viel Zeit es auch immer war, vertan war sie nicht. Die kurzweilige Schau führt die Besucher auf eine spannende Reise durch die Geschichte der Beschleunigung.

Statt eines Ausstellungskataloges hat die Saarbrücker Werbeagentur Maksimovic & Partner ein "Zeitsparbuch" gestalten, mit dem die eigene Zeit verwaltet und der Umgang damit überdacht werden kann (wir berichteten).

 Mehr Zeit dank neuer Fertigprodukte: Maggi-Werbeschild von 1902. Foto: Maggi GmbH

Mehr Zeit dank neuer Fertigprodukte: Maggi-Werbeschild von 1902. Foto: Maggi GmbH

Bis 24.2. in Frankfurt. Ab 22.3 bis 1.9. im Museum für Kommunikation Berlin.

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