Geschichte Wovor sich kleine Bären richtig gruseln

Auch starke und mutige Tiere bekommen es manchmal ganz schön mit der Angst zu tun.

Viel zu früh war es an diesem herbstlichen Nebeltag dunkel geworden und der kleine Bär hatte nicht darauf geachtet, rechtzeitig in die Bärenhöhle zurückzukehren. So schön hatte er mit den Waldtieren und den Wichteln und Elfen gespielt! Und jetzt stand er am dunklen Waldrand und dachte daran, wie Mama Bär ihn gewarnt hatte: „Die Tage werden immer kürzer. Du kannst nicht mehr so lange mit deinen Freunden spielen, kleiner Bär. Komm nach Hause, bevor es dunkel wird!“

„Zu dumm“, brummelte er. „Überall hängen graue Wolken zwischen den Bäumen.“ Er sah sich besorgt um. So anders sah diese Nebelwelt aus! So fremd. „Man könnte sich glatt verirren“, murmelte er und spähte nach allen Seiten. Nichts. Er sah nur dunkles Nebelgrau. Halt! Da! Da vorne blinkte es hell. Nur ganz schwach konnte der kleine Bär das Licht sehen. Es flackerte schwach durch die Nebelwelt, versteckte sich mal zwischen Wolken, dann blinkte es ihm wieder zu. „Oh, ein Lichtpünktchen“, freute sich der kleine Bär. „Licht ist gut. Licht wird mir helfen, den Heimweg zu finden.“

Vorsichtig tastete er sich über die Wiese und zwischen kahlen Zweigen hindurch dem Licht entgegen. Es wurde größer und heller und dann waren es nur noch ein paar Schritte bis zum Licht. Aber was war das? „Wähhh!“ und „Hiiiilfeee!“, schrie der kleine Bär erschreckt auf. Das fremde Licht war nämlich nun kein freundliches Lichtpünktchen mehr. Nein. Stattdessen sah der kleine Bär direkt in die Augen eines grausig grinsenden Fratzengesichts hinein.

„Hilft mir denn keiner?“, heulte das Fratzengesicht auf. „D-d-du brauchst Hilfe?“, stammelte der kleine Bär. „W-w-wer bist du denn?“ „Erkennst du mich nicht?“ Jetzt weinte das fremde Ding fast. „Fast jeden Tag bist du auf dem Feld an mir vorbei gegangen. Ich bin’s. Der Kürbis. Der große gelbe aus der Ecke im Feld oben rechts.“ Der kleine Bär staunte. „Du bist das?“, wunderte er sich. „Warum siehst du so komisch aus und warum bist du nicht mehr auf dem Feld? Und warum...?“ „Weil mich die Leute vom Waldhaus geerntet haben und weil ihre Kinder aus mir ein hässliches Fratzengesicht geschnitzt haben. Darum stehe ich nun auf dieser Mauer vorm Waldhaus.“ Der Kürbis stöhnte. „Und zwei Kerzen haben sie in meinen hohlen Bauch gestellt. Sag, kleiner Bär, ist das nicht gemein?“

Der kleine Bär, der sich nun nicht mehr fürchtete, nickte. „Ganz arg gemein ist das“, brummte er und tappte zu dem Kürbisfratzengesicht hinüber. „Dann hilf mir, kleiner Bär!“, bettelte der Kürbis. „Nimm mich mit in deine Bärenhöhle. Ich möchte dein Freund sein. Es macht nämlich überhaupt keinen Spaß, auf einer Mauer zu hocken und mit einem dämlichen Fratzengrinsen Menschen zu erschrecken.“ „Und Bären“, sagte der kleine Bär. Der Kürbis nickte. „Ja, und Bären. Sag, hilfst du mir?“ „Aber klar.“

Der kleine Bär nahm den Kürbis in den Arm und tappte den Weg, der links vom Waldhaus zur Bärenhöhle führte, bergan. „Danke“, sagte der Kürbis. „Das werde ich dir nie vergessen. Und nun helfe ich dir: Halte meinen Fratzenkopf wie eine Laterne. Dann finden wir mit meinem Licht den Weg durch die dunkle Nebelwelt.“ „Danke“, freute sich der kleine Bär. „Du bist ein wirklich guter Freund.“

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